Recht am gesprochenen Wort

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"Art. 2 Abs. 1 GG verbrieft jedem das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. Dieses Grundrecht schützt auch Rechtspositionen, die für die Entfaltung der Persönlichkeit notwendig sind. Dazu gehört in bestimmten Grenzen, ebenso wie das Recht am eigenen Bild, das Recht am gesprochenen Wort. Deshalb darf grundsätzlich jedermann selbst und allein bestimmen, wer sein Wort aufnehmen soll sowie ob und vor wem seine auf einen Tonträger aufgenommene Stimme wieder abgespielt werden darf.

Wort und Stimme des Menschen sind auf dem Tonband von ihm losgelöst und in einer verfügbaren Gestalt verselbständigt. Die Unantastbarkeit der Persönlichkeit würde erheblich geschmälert, dürften andere ohne oder gar gegen den Willen des Betroffenen über sein nicht öffentlich gesprochenes Wort nach Belieben verfügen. Die Unbefangenheit der menschlichen Kommunikation würde gestört, müßte ein jeder mit dem Bewußtsein leben, daß jedes seiner Worte, eine vielleicht unbedachte oder unbeherrschte Äußerung, eine bloß vorläufige Stellungnahme im Rahmen eines sich entfaltenden Gesprächs oder eine nur aus einer besonderen Situation heraus verständliche Formulierung bei anderer Gelegenheit und in anderem Zusammenhang hervorgeholt werden könnte, um mit ihrem Inhalt, Ausdruck oder Klang gegen ihn zu zeugen. Private Gespräche müssen geführt werden können ohne den Argwohn und die Befürchtung, daß deren heimliche Aufnahme ohne die Einwilligung des Sprechenden oder gar gegen dessen erklärten Willen verwertet wird. Dem tragen im materiellen Strafrecht die §§ 298, 353 d<ref>vgl. dazu die Begründung des Entwurfs eines StGB, E 1962, - Bundesratsvorlage - Drucks. 200/62, S. 326</ref> und im Zivilrecht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht seit langem Rechnung<ref>vgl. dazu BGHZ 27, 284 ff. mit weiteren Nachweisen</ref>."<ref>BVerfG, Beschluss vom 31.01.1973 - 2 BvR 454/71 Abs. 32, 33 - Tonband</ref>

"Das von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG erfasste allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt Elemente der Persönlichkeit, die nicht schon Gegenstand der besonderen Freiheitsgarantien des Grundgesetzes sind, diesen aber in ihrer konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit nicht nachstehen. Eine solche lückenschließende Gewährleistung ist insbesondere vor dem Hintergrund neuartiger Gefährdungen der Persönlichkeitsentfaltung geboten, die in Begleitung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts auftreten. Die Zuordnung eines konkreten Rechtsschutzbegehrens zu den verschiedenen Aspekten des Persönlichkeitsrechts muss daher vor allem im Hinblick auf die Persönlichkeitsgefährdung erfolgen, die den konkreten Umständen des Anlassfalls zu entnehmen ist<ref>vgl. BVerfGE 101, 361 [380]</ref>.

...In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass das Grundgesetz neben dem Recht am eigenen Bild auch das Recht am gesprochenen Wort schützt<ref>vgl. BVerfGE 34, 238 [246 f.]; 54, 148 [154]</ref>. Dieses gewährleistet die Selbstbestimmung über die eigene Darstellung der Person in der Kommunikation mit anderen<ref>vgl. BVerfGE 54, 148 [155]</ref>. Der Schutz umfasst die Möglichkeit, sich in der Kommunikation nach eigener Einschätzung situationsangemessen zu verhalten und sich auf die jeweiligen Kommunikationspartner einzustellen. Zum Grundrecht gehört die Befugnis selbst zu bestimmen, ob der Kommunikationsinhalt einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Personenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein soll<ref>vgl. BVerfGE 54, 148 [155] unter Bezugnahme auf BGHZ 27, 284 [286]; vgl. auch BAGE 41, 37 [42] sowie -- unter Anschluss an diese Entscheidung -- BGH, NJW 1991, S. 1180</ref>. Das Selbstbestimmungsrecht erstreckt sich also auf die Auswahl der Personen, die Kenntnis vom Gesprächsinhalt erhalten sollen.

Dieses Selbstbestimmungsrecht findet einen Ausdruck in der Befugnis des Menschen, selbst und allein zu entscheiden, ob sein Wort auf einen Tonträger aufgenommen und damit möglicherweise Dritten zugänglich werden soll, womit Wort und Stimme von dem Kommunikationsteilnehmer losgelöst und in einer für Dritte verfügbaren Gestalt verselbständigt werden <ref>gl. grundlegend BVerfGE 34, 238 [246 f.]; BGHZ 27, 284</ref>. Menschliche Kommunikation soll durch das Grundrecht dagegen geschützt sein, dass die Worte -- eine vielleicht unbedachte oder unbeherrschte Äußerung, eine bloß vorläufige Stellungnahme im Rahmen eines sich entfaltenden Gesprächs oder eine nur aus einer besonderen Situation heraus verständliche Formulierung -- bei anderer Gelegenheit und in anderem Zusammenhang hervorgeholt werden, um durch Inhalt, Ausdruck oder Klang gegen den Sprechenden zu zeugen. Das Grundgesetz schützt deshalb davor, dass Gespräche heimlich aufgenommen und ohne Einwilligung des Sprechenden oder gar gegen dessen erklärten Willen verwertet werden. Dass die Rechtsordnung diesem Aspekt des Schutzes hohe Bedeutung beimisst, zeigt sich auch daran, dass bereits die unbefugte Aufnahme des nicht öffentlich gesprochenen Wortes eines anderen auf einem Tonträger gemäß § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit Strafe bedroht ist.

Das Grundrecht schützt jedoch nicht nur vor einer solchen "Verdinglichung" des Wortes, sondern auch vor anderen Verletzungen des Selbstbestimmungsrechts darüber, welcher Person der Kommunikationsinhalt zugänglich sein soll. Schutz besteht jedenfalls auch davor, dass ein Kommunikationspartner ohne Kenntnis des anderen eine dritte Person als Zuhörer in das Gespräch mit einbezieht oder die unmittelbare Kommunikationsteilhabe durch den Dritten gestattet. Verhält ein Sprecher sich allerdings so, dass seine Worte von unbestimmt vielen Menschen ohne besondere Bemühungen gehört werden können, hat er sich das Zuhören Dritter selbst zuzuschreiben. Er ist gegen deren Kommunikationsteilhabe nicht geschützt, wenn er etwa von ihm unerwünschte Hörer in seiner Nähe übersieht oder die Lautstärke seiner Äußerung falsch einschätzt. Entscheidend ist, ob der Sprecher auf Grund der Rahmenbedingungen begründetermaßen erwarten darf, nicht von Dritten gehört zu werden<ref>vgl. -- zum Schutz einer räumlichen Privatsphäre -- BVerfGE 101, 361 [384 f.]</ref>.

...Das Recht am gesprochenen Wort ist nicht identisch mit dem Schutz der Privatsphäre, der ebenfalls im allgemeinen Persönlichkeitsrecht wurzelt<ref>vgl. BVerfGE 101, 361 [382 f.]</ref>. In thematischer Hinsicht hat der Sprecher im privaten Bereich gerade wegen des Inhalts des Gesprächs ein schutzwürdiges Interesse daran, dass Dritte hiervon keine Kenntnis erhalten. Entsprechende Äußerungen sind unabhängig davon geschützt, wie der Inhalt an einen Dritten gerät, also auch dann, wenn der Gesprächspartner entgegen einer Vertraulichkeitserwartung des Sprechers einem Dritten von dem Gesprächsinhalt berichtet. In räumlicher Hinsicht gewährt das allgemeine Persönlichkeitsrecht dem Einzelnen einen Privatbereich, in dem er sich unbemerkt durch Dritte und damit ohne Rücksichtnahme auf sie verhalten darf<ref>vgl. BVerfGE 101, 361 [382 ff.]</ref>.

Demgegenüber ist der Schutz des Rechts am gesprochenen Wort nicht auf bestimmte Inhalte und Örtlichkeiten begrenzt, sondern bezieht sich allein auf die Selbstbestimmung über die unmittelbare Zugänglichkeit der Kommunikation, also etwa über die Herstellung einer Tonaufnahme oder die Kommunikationsteilhabe einer dritten Person. Der Schutz des Rechts am gesprochenen Wort hängt weder davon ab, ob es sich bei den ausgetauschten Informationen um personale Kommunikationsinhalte oder gar besonders persönlichkeitssensible Daten handelt, noch kommt es auf die Vereinbarung einer besonderen Vertraulichkeit der Gespräche an.

Vielfach lässt sich nicht vorhersehen, in welche Richtung ein Gespräch verläuft. So kann eine Unterhaltung, die sich zunächst auf nicht besonders geheimhaltungsbedürftige geschäftliche Dinge beschränkt, in ein persönliches Gespräch übergehen oder ein persönliches in ein geschäftliches mit sensiblen Inhalten. Dem Gespräch einen neuen Verlauf geben zu können, ohne die eigene Unbefangenheit in der Kommunikation verlieren zu müssen, ist vom Selbstbestimmungsrecht der Kommunikationsteilnehmer umfasst. Dieses Selbstbestimmungsrecht soll den Sprecher auch befähigen, sich auf mögliche Folgen der Kommunikation einzustellen. Wäre ihm etwa bewusst, dass ein Dritter zuhört, so dass bei einer anschließenden rechtlichen Auseinandersetzung ein Beweismittel zur Verfügung steht<ref>(vgl. BGH, NJW 1970, S. 1848; NJW 1991, S. 1180; BAGE 41, 37)</ref>, könnte der Sprecher vor dem Hintergrund einer andernfalls bestehenden eigenen Beweislosigkeit entscheiden, jedwede Äußerung von rechtlicher Relevanz zu unterlassen. Er könnte sich auch um einen behutsameren Gebrauch solcher Formulierungen bemühen, die unter Umständen beweiserheblich werden. Oder er könnte seinerseits dafür sorgen, über ein eigenes Beweismittel zu verfügen. Solche Möglichkeiten, sich am jeweiligen Kommunikationspartner auszurichten und sich im Hinblick auf die eigenen Kommunikationsinteressen situationsangemessen zu verhalten, werden ihm genommen, wenn nicht in seiner Entscheidung steht, wer die Kommunikationsinhalte unmittelbar wahrnehmen kann.

...Auf das Recht am gesprochenen Wort kann sich auch eine juristische Person des Privatrechts berufen."<ref>BVerfG, Beschluss vom 09.10.2002 - 1 BvR 1611/96 und 1 BvR 805/98 Abs. 28-35</ref>


Rechtsprechung

Siehe auch

Fußnoten

<references/>