Einmauern oder Erdrücken

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"Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann in Betracht kommen, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens das Wohngebäude des Nachbarn „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Ob dies der Fall ist, hängt wesentlich von der konkreten Situation im Einzelfall ab.

Eine solche erdrückende Wirkung auf das Nachbargrundstück kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht<ref>(BayVGH, B.v. 23.4.2014 - 9 CS 14.222 - juris Rn. 12 m.w.N.; B.v. 5.11.2019 - 9 CS 19.1767 - juris Rn. 18)</ref>. Hauptkriterien bei der Beurteilung einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung sind mithin - neben der bloßen Distanz - insbesondere die besonderen Belastungswirkungen aufgrund der Höhe und der Länge des Bauvorhabens auf das benachbarte Wohngebäude<ref>(BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1/78 - juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 - 4 C 34/85 - juris Rn. 15: drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen; BayVGH, B.v. 15.01.2018 - 15 ZB 16.2508 - juris Rn. 18 m.w.N.)</ref>.

Für die Annahme der abriegelnden bzw. erdrückenden Wirkung eines Nachbargebäudes ist somit grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen<ref>(BayVGH, B.v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris Rn. 5; B.v. 5.12.2012 - 2 CS 12.2290 - juris Rn. 9; B.v. 15.01.2018 - 15 ZB 16.2508 - juris Rn. 18)</ref>."<ref>VG München, Beschluss vom 13.05.2020 - M 29 SN 20.684 Tz. 32 ff.</ref>

Rechtsprechung

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH)

  • BayVGH, Beschluss vom 23.04.2014 - 9 CS 14.222: "Eine Rechtsverletzung ist erst zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht. Eine Gesamtschau der Umstände des konkreten Einzelfalls ist maßgeblich dafür, ob einem Vorhaben „abriegelnde“ oder „erdrückende“ Wirkung zukommt. (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2013 – 15 ZB 13.68 – juris Rn. 5). Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2012 – 15 ZB 11.1016 – juris Rn. 6)."<ref>Tz. 18</ref>
  • BayVGH, Beschluss vom 25.01.2013 - 15 ZB 13.68
  • BayVGH, Beschluss vom 16.10.2012 - 15 ZB 11.1016

Oberverwaltungsgerichte anderer Bundesländer

  • OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.09.2020 - 10 A 4650/19: "Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine erdrückende Wirkung des Vorhabens zu Lasten des Grundstücks des Klägers auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens nicht feststellen. Das Verwaltungsgericht hat bereits hervorgehoben, dass das Vorhaben die nach den Abstandsflächenvorschriften erforderlichen Abstände gegenüber der Grenze zum Grundstück des Klägers einhält und die Firste des Vorhabens und des Wohnhauses des Klägers der Höhe nach nicht wesentlich voneinander abweichen. Zwar ist die zur gemeinsamen Grenze ausgerichtete nördliche Außenwand des Vorhabens um einige Meter länger als die südliche Außenwand des Wohnhauses des Klägers, doch ist das Vorhaben von der L. Straße aus gesehen nach hinten versetzt, so dass sich die Wände im vorderen Bereich nicht auf der vollen Länge gegenüberstehen. Die nördliche Außenwand des Vorhabens steht zudem nur über wenige Meter auf der Höhe des auf dem Grundstück des Klägers angelegten großzügigen Gartens. Davon, dass das Vorhaben dem Grundstück des Klägers "die Luft nimmt", kann daher keine Rede sein. Das Vorhaben "mauert" das Grundstück des Klägers auch weder "ein" noch dominiert es dieses derart, dass das dort aufstehende Wohnhaus als eine bauliche Anlage ohne eigenständige bauliche Charakteristik wahrgenommen wird. Das Verwaltungsgericht hat im Übrigen der Sache nach zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger angesichts der in der Umgebung vorhandenen Bebauung und der Größe des Vorhabengrundstücks durchaus damit rechnen musste, dass dieses mit einem Wohngebäude bebaut wird, welches dem Vorhaben entspricht. Das Rücksichtnahmegebot schützt den Grundstückseigentümer nicht davor, dass ein benachbartes Grundstück zukünftig intensiver baulich ausgenutzt wird als zuvor."<ref>Abs. 12</ref>
  • OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.02.2009 - 10 B 1713/08
  • OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.08.2005 - 10 A 3138/02: "Von einem Gebäude kann gegenüber einem Grundstück bzw. gegenüber einem anderen Gebäude etwa dann eine erdrückende Wirkung ausgehen, wenn die Größe des „erdrückenden" Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalles - und ggf. trotz Wahrung der erforderlichen Abstandflächen - derart übermächtig ist, dass das „erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden" Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird. Ob eine solche Wirkung vorliegt oder nicht, kann nur unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände des Einzelfalles entschieden werden. Neben den Ausmaßen beider Baukörper in ihrem Verhältnis zueinander - Bauhöhe, Ausdehnung und Gestaltung der Fassaden, Baumasse - kann die Lage der Gebäude zueinander eine Rolle spielen. Von besonderer Bedeutung im Rahmen dieser Bewertung wird regelmäßig die Entfernung zwischen den Baukörpern bzw. Grundstücksgrenzen sein. Zusätzlich kann von Bedeutung sein, wie die angrenzenden Flächen genutzt sind, insbesondere ob das „erdrückende" Gebäude für sich steht oder ob es von anderen Baukörpern vergleichbarer Dimension umgeben ist, die zu der erdrückenden Wirkung noch beitragen und diese verstärken können."<ref>Abs. 52</ref>
  • OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.08.2005 - 10 A 3611/03

Siehe auch

Fußnoten

<references/>