Allgemeine Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG)

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Grundsatz

"Die Problematik des Verhältnisses der Grundrechte zum Privatrecht scheint im Falle des Grundrechts der freien Meinungsäußerung (Art. 5 GG) anders gelagert zu sein. Dieses Grundrecht ist - wie schon in der Weimarer Verfassung (Art. 118) - vom Grundgesetz nur in den Schranken der "allgemeinen Gesetze" gewährleistet (Art. 5 Abs. 2). Ohne daß zunächst untersucht wird, welche Gesetze "allgemeine" Gesetze in diesem Sinne sind, ließe sich die Auffassung vertreten, hier habe die Verfassung selbst durch die Verweisung auf die Schranke der allgemeinen Gesetze den Geltungsanspruch des Grundrechts von vornherein auf den Bereich beschränkt, den ihm die Gerichte durch ihre Auslegung dieser Gesetze noch belassen. Das Ergebnis dieser Auslegung müsse, soweit es eine Beschränkung des Grundrechts darstelle, hingenommen werden und könne deshalb niemals als eine "Verletzung" des Grundrechts angesehen werden.

Dies ist indessen nicht der Sinn der Verweisung auf die "allgemeinen Gesetze". Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt (un des droits les plus precieux de l'homme nach Artikel 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789). Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist<ref>BVerfGE 5, 85 [205]</ref>. Es ist in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt, "the matrix, the indispensable condition of nearly every other form of freedom" (Cardozo).

Aus dieser grundlegenden Bedeutung der Meinungsäußerungsfreiheit für den freiheitlich- demokratischen Staat ergibt sich, daß es vom Standpunkt dieses Verfassungssystems aus nicht folgerichtig wäre, die sachliche Reichweite gerade dieses Grundrechts jeder Relativierung durch einfaches Gesetz (und damit zwangsläufig durch die Rechtsprechung der die Gesetze auslegenden Gerichte) zu überlassen. Es gilt vielmehr im Prinzip auch hier, was oben allgemein über das Verhältnis der Grundrechte zur Privatrechtsordnung ausgeführt wurde: die allgemeinen Gesetze müssen in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung ihrerseits im Lichte der Bedeutung dieses Grundrechts gesehen und so interpretiert werden, daß der besondere Wertgehalt dieses Rechts, der in der freiheitlichen Demokratie zu einer grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede in allen Bereichen, namentlich aber im öffentlichen Leben, führen muß, auf jeden Fall gewahrt bleibt. Die gegenseitige Beziehung zwischen Grundrecht und "allgemeinem Gesetz" ist also nicht als einseitige Beschränkung der Geltungskraft des Grundrechts durch die "allgemeinen Gesetze" aufzufassen; es findet vielmehr eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, daß die "allgemeinen Gesetze" zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlichen demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen.

Das Bundesverfassungsgericht, das durch das Rechtsinstitut der Verfassungsbeschwerde zur Wahrung der Grundrechte letztlich berufen ist, muß demgemäß auch hier die rechtliche Möglichkeit besitzen, die Rechtsprechung der Gerichte dort zu kontrollieren, wo sie in Anwendung eines allgemeinen Gesetzes den grundrechtlich bestimmten Raum betreten und damit möglicherweise den Geltungsanspruch des Grundrechts im Einzelfall unzulässig beschränken. Es muß zu seiner Kompetenz gehören, den spezifischen Wert, der sich in diesem Grundrecht für die freiheitliche Demokratie verkörpert, allen Organen der öffentlichen Gewalt, also auch den Zivilgerichten, gegenüber zur Geltung zu bringen und den verfassungsrechtlich gewollten Ausgleich zwischen den sich gegenseitig widerstreitenden, hemmenden und beschränkenden Tendenzen des Grundrechts und der "allgemeinen Gesetze" herzustellen.

3. Der Begriff des "allgemeinen" Gesetzes war von Anfang an umstritten. Es mag dahinstehen, ob der Begriff nur infolge eines Redaktionsversehens in den Artikel 118 der Reichsverfassung von 1919 gelangt ist<ref>siehe dazu Häntzschel im Handbuch des deutschen Staatsrechts, 1932, Band II S. 658</ref>. Jedenfalls ist er bereits während der Geltungsdauer dieser Verfassung dahin ausgelegt worden, daß darunter alle Gesetze zu verstehen sind, die "nicht eine Meinung als solche verbieten, die sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten", die vielmehr "dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen", dem Schutze eines Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang hat<ref>vgl. die Zusammenstellung der inhaltlich übereinstimmenden Formulierungen bei Klein-v. Mangoldt, a.a.O., S. 250 f., sowie veröffentl. der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 4, 1928, S. 6 ff., bes. S. 18 ff., 51 ff.</ref>. Dem stimmen auch die Ausleger des Grundgesetzes zu<ref>vgl. etwa Ridder in Neumann- Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, Band II S. 282: "Gesetze, die nicht die rein geistige Wirkung der reinen Meinungsäußerung inhibieren"</ref>.

Wird der Begriff "allgemeine Gesetze" so verstanden, dann ergibt sich zusammenfassend als Sinn des Grundrechtsschutzes:

Die Auffassung, daß nur das Äußern einer Meinung grundrechtlich geschützt sei, nicht die darin liegende oder damit bezweckte Wirkung auf andere, ist abzulehnen. Der Sinn einer Meinungsäußerung ist es gerade, "geistige Wirkung auf die Umwelt" ausgehen zu lassen, "meinungsbildend und überzeugend auf die Gesamtheit zu wirken"<ref>Häntzschel, Hdb. DStR II, S. 655</ref>. Deshalb sind Werturteile, die immer eine geistige Wirkung erzielen, nämlich andere überzeugen wollen, vom Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt; ja der Schutz des Grundrechts bezieht sich in erster Linie auf die im Werturteil zum Ausdruck kommende eigene Stellungnahme des Redenden, durch die er auf andere wirken will. Eine Trennung zwischen (geschützter) Äußerung und (nicht geschützter) Wirkung der Äußerung wäre sinnwidrig.

Die - so verstandene - Meinungsäußerung ist als solche, d.h. in ihrer rein geistigen Wirkung, frei; wenn aber durch sie ein gesetzlich geschütztes Rechtsgut eines anderen beeinträchtigt wird, dessen Schutz gegenüber der Meinungsfreiheit den Vorrang verdient, so wird dieser Eingriff nicht dadurch erlaubt, daß er mittels einer Meinungsäußerung begangen wird. Es wird deshalb eine "Güterabwägung" erforderlich: Das Recht zur Meinungsäußerung muß zurücktreten, wenn schutzwürdige Interessen eines anderen von höherem Rang durch die Betätigung der Meinungsfreiheit verletzt würden. Ob solche überwiegenden Interessen anderer vorliegen, ist auf Grund aller Umstände des Falles zu ermitteln.

4. Von dieser Auffassung aus bestehen keine Bedenken dagegen, auch Normen des bürgerlichen Rechts als "allgemeine Gesetze" im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG anzuerkennen. Wenn das bisher in der Literatur im allgemeinen nicht geschehen ist<ref>worauf auch Klein-v. Mangoldt, a.a.O., S. 251, hinweist</ref>, so kommt darin nur zum Ausdruck, daß man die Grundrechte lediglich in ihrer Wirkung zwischen Bürger und Staat gesehen hat, so daß folgerichtig als einschränkende allgemeine Gesetze nur solche in Betracht kamen, die staatliches Handeln gegenüber dem einzelnen regeln, also Gesetze öffentlich-rechtlichen Charakters. Wenn aber das Grundrecht der freien Meinungsäußerung auch in den Privatrechtsverkehr hineinwirkt und sein Gewicht sich hier zugunsten der Zulässigkeit einer Meinungsäußerung auch dem einzelnen Mitbürger gegenüber geltend macht, so muß auf der andern Seite auch die das Grundrecht unter Umständen beschränkende Gegenwirkung einer privatrechtlichen Norm, soweit sie höhere Rechtsgüter zu schützen bestimmt ist, beachtet werden. Es wäre nicht einzusehen, warum zivilrechtliche Vorschriften, die die Ehre oder andere wesentliche Güter der menschlichen Persönlichkeit schützen, nicht ausreichen sollten, um der Ausübung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung Schranken zu setzen, auch ohne daß zu dem gleichen Zweck Strafvorschriften erlassen werden.

Der Beschwerdeführer befürchtet, daß durch Beschränkung der Redefreiheit einem einzelnen gegenüber die Gefahr heraufgeführt werden könnte, der Bürger werde in der Möglichkeit, durch seine Meinung in der Öffentlichkeit zu wirken, allzusehr beengt und die unerläßliche Freiheit der öffentlichen Erörterung gemeinschaftswichtiger Fragen sei nicht mehr gewährleistet. Diese Gefahr besteht in der Tat<ref>vgl. dazu Ernst Helle, Der Schutz der persönlichen Ehre und des wirtschaftlichen Rufes im Privatrecht, 1957, S. 65, 83-85, 153</ref>. Um ihr zu begegnen, ist es aber nicht erforderlich, das bürgerliche Recht aus der Reihe der allgemeinen Gesetze schlechthin auszuscheiden. Es muß nur auch hier der freiheitliche Gehalt des Grundrechts entschieden festgehalten werden. Es wird vor allem dort in die Waagschale fallen müssen, wo von dem Grundrecht nicht zum Zwecke privater Auseinandersetzungen Gebrauch gemacht wird, der Redende vielmehr in erster Linie zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen will, so daß die etwaige Wirkung seiner Äußerung auf den privaten Rechtskreis eines anderen zwar eine unvermeidliche Folge, aber nicht das eigentliche Ziel der Äußerung darstellt. Gerade hier wird das Verhältnis von Zweck und Mittel bedeutsam. Der Schutz des privaten Rechtsguts kann und muß um so mehr zurücktreten, je mehr es sich nicht um eine unmittelbar gegen dieses Rechtsgut gerichtete Äußerung im privaten, namentlich im wirtschaftlichen Verkehr und in Verfolgung eigennütziger Ziele, sondern um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage durch einen dazu Legitimierten handelt; hier spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede.

Es ergibt sich also: Auch Urteile des Zivilrichters, die auf Grund "allgemeiner Gesetze" bürgerlich-rechtlicher Art im Ergebnis zu einer Beschränkung der Meinungsfreiheit gelangen, können das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verletzen. Auch der Zivilrichter hat jeweils die Bedeutung des Grundrechts gegenüber dem Wert des im "allgemeinen Gesetz" geschützten Rechtsguts für den durch die Äußerung angeblich Verletzten abzuwägen. Die Entscheidung kann nur aus einer Gesamtanschauung des Einzelfalles unter Beachtung aller wesentlichen Umstände getroffen werden. Eine unrichtige Abwägung kann das Grundrecht verletzen und so die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht begründen."<ref>BVerfG, Urteil vom 15.01.1958 - 1 BvR 400/51 Rdnr. 32 ff.</ref>

Ausnahme StGB § 130 Abs. 4

"Der Eingriff in die Meinungsfreiheit ist gerechtfertigt. § 130 Abs. 4 StGB ist eine gesetzliche Grundlage, die in verfassungsrechtlich zulässiger Weise einen Eingriff in die Meinungsfreiheit rechtfertigen kann. Zwar handelt es sich bei der Strafnorm nicht um ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Alternative 1 GG (1). Als Sonderrecht kann sie auch nicht auf das Recht der persönlichen Ehre gemäß Art. 5 Abs. 2 Alternative 3 GG gestützt werden (2). In Bezug auf das nationalsozialistische Regime in den Jahren zwischen 1933 und 1945 erlaubt Art. 5 Abs. 1 und 2 GG jedoch auch Eingriffe durch Vorschriften, die nicht den Anforderungen an ein allgemeines Gesetz entsprechen. Angesichts des einzigartigen Unrechts und des Schreckens, die diese Herrschaft unter deutscher Verantwortung über Europa und weite Teile der Welt gebracht hat, und der für die Identität der Bundesrepublik Deutschland prägenden Bedeutung dieser Vergangenheit, können Äußerungen, die dies gutheißen, Wirkungen entfalten, denen nicht allein in verallgemeinerbaren Kategorien Rechnung getragen werden kann (3).

1. § 130 Abs. 4 StGB ist kein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Alternative 1 GG.

a) Nach Art. 5 Abs. 2 Alternative 1 GG findet die Meinungsfreiheit ihre Grenzen in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Darunter sind Gesetze zu verstehen, die nicht eine Meinung als solche verbieten, die sich nicht gegen die Äußerung der Meinung als solche richten, sondern dem Schutz eines schlechthin ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts dienen<ref>vgl. BVerfGE 7, 198 [209 f.]; 28, 282 [292]; 71, 162 [175 f.]; 93, 266 [291]; stRspr</ref>. Dieses Rechtsgut muss in der Rechtsordnung allgemein und damit unabhängig davon geschützt sein, ob es durch Meinungsäußerungen oder auf andere Weise verletzt werden kann<ref>vgl. BVerfGE 111, 147 [155]; 117, 244 [260]</ref>.

aa) Ausgangspunkt für die Prüfung, ob ein Gesetz ein allgemeines ist, ist zunächst die Frage, ob eine Norm an Meinungsinhalte anknüpft. Erfasst sie das fragliche Verhalten völlig unabhängig von dem Inhalt einer Meinungsäußerung, bestehen hinsichtlich der Allgemeinheit keine Zweifel. Knüpft sie demgegenüber an den Inhalt einer Meinungsäußerung an, kommt es darauf an, ob die Norm dem Schutz eines auch sonst in der Rechtsordnung geschützten Rechtsguts dient. Ist dies der Fall, ist in der Regel zu vermuten, dass das Gesetz nicht gegen eine bestimmte Meinung gerichtet ist, sondern meinungsneutral-allgemein auf die Abwehr von Rechtsgutverletzungen zielt. Insoweit nimmt nicht schon jede Anknüpfung an den Inhalt von Meinungen als solche einem Gesetz den Charakter als allgemeines Gesetz. Vielmehr sind auch inhaltsanknüpfende Normen dann als allgemeine Gesetze zu beurteilen, wenn sie erkennbar auf den Schutz bestimmter Rechtsgüter und nicht gegen eine bestimmte Meinung gerichtet sind. Hiervon ausgehend hat das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf Art. 5 Abs. 2 GG etwa die Vorschriften zu den politischen Mäßigungspflichten der Soldaten und Beamten<ref>vgl. BVerfGE 28, 282 [292]; 39, 334 [367]</ref>, zur Strafbarkeit der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole gemäß § 90a StGB<ref>vgl. BVerfGE 47, 198 [232]; 69, 257 [268 f.]</ref>, zur Beleidigung nach § 185 StGB<ref>vgl. BVerfGE 93, 266 [291]; BVerfGK 8, 89 [96]; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2009 -- 1 BvR 2272/04 --, NJW 2009, S. 3016 [3017]</ref> oder zur Vorgängerfassung des Volksverhetzungstatbestandes nach § 130 StGB a.F.<ref>vgl. BVerfGE 90, 241 [251]; 111, 147 [155]</ref> als allgemeine Gesetze beurteilt.

Allerdings kann aus dieser Rechtsprechung nicht im Umkehrschluss abgeleitet werden, dass immer, wenn eine Norm ein anerkanntes Rechtsgut schützt, deren Allgemeinheit schon allein damit gesichert ist<ref>vgl. Enders, JZ 2008, S. 1092 [1094]</ref>. Die Tatsache, dass ein meinungsbeschränkendes Gesetz ein anerkanntes Rechtsgut schützt, garantiert dessen Allgemeinheit nicht für jeden Fall, sondern ist lediglich Indiz für die Wahrung rechtsstaatlicher Distanz und die Einhaltung des Gebots der Meinungsneutralität. Das Bundesverfassungsgericht hat stets betont, dass das fragliche Rechtsgut schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung geschützt sein muss<ref>vgl. BVerfGE 111, 147 [155]; 117, 244 [260]</ref> und damit Inhaltsanknüpfungen in Neutralität zu den verschiedenen politischen Strömungen und Weltanschauungen stehen müssen. Entsprechend war für die Qualifizierung des § 90a StGB als allgemeines Gesetz maßgeblich, dass diese Vorschrift die Herabwürdigung der Bundesrepublik Deutschland "unabhängig von einer politischen Überzeugung" unter Strafe stellt<ref>vgl. BVerfGE 47, 198 [232]</ref>. Nichts anderes gilt für die §§ 86, 86a StGB, die das Bundesverfassungsgericht gleichfalls als allgemeine Gesetze beurteilt hat<ref>vgl. BVerfGE 111, 147 [155]</ref>. Zwar wird in § 86 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB ausdrücklich an nationalsozialistische Organisationen angeknüpft. Im Kontext der Gesamtnorm des § 86 Abs. 1 StGB handelt es sich dabei aber dennoch nicht um Sonderrecht. Die Vorschrift richtet sich nicht gegen die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts, sondern erhebt einen sachlich beschränkten Strafanspruch gegen die organisationsbezogene Fortführung von förmlich verbotenen Vereinigungen und Parteien und erstreckt ihn auf alle hiervon betroffenen Organisationen gleichermaßen.

bb) An der Allgemeinheit eines Gesetzes fehlt es, wenn eine inhaltsbezogene Meinungsbeschränkung nicht hinreichend offen gefasst ist und sich von vornherein nur gegen bestimmte Überzeugungen, Haltungen oder Ideologien richtet.

Gesetze zum Schutz von Rechtsgütern sind nur allgemein, wenn sie sich bei der gebotenen Gesamtsicht als konsequent und abstrakt vom Rechtsgut her gedacht erweisen und ohne Ansehung konkret vorfindlicher Auffassungen ausgestaltet sind. Hierzu gehört eine hinreichend allgemein gefasste Formulierung der Verletzungshandlung sowie der geschützten Rechtsgüter, die sicherstellt, dass die Norm im politischen Kräftefeld als gegenüber verschiedenen Gruppierungen offen erscheint und sich die pönalisierte oder verbotene Meinungsäußerung grundsätzlich aus verschiedenen politischen, religiösen oder weltanschaulichen Grundpositionen ergeben kann. Geboten ist eine Fassung der Norm, die in rechtsstaatlicher Distanz gegenüber konkreten Auseinandersetzungen im politischen oder sonstigen Meinungskampf strikte "Blindheit" gegenüber denen gewährleistet, auf die sie letztlich angewendet werden soll. Sie darf allein an dem zu schützenden Rechtsgut ausgerichtet sein, nicht aber an einem Wert- oder Unwerturteil hinsichtlich der konkreten Haltungen oder Gesinnungen.

Die Allgemeinheit des Gesetzes verbürgt damit entsprechend dem Verbot der Benachteiligung oder Bevorzugung wegen politischer Anschauungen (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Alternative 9 GG) für Eingriffe in die Meinungsfreiheit ein spezifisches und striktes Diskriminierungsverbot gegenüber bestimmten Meinungen. Gesetze, die an den Inhalt von Meinungsäußerungen anknüpfen und durch solche verursachte Rechtsgutverletzungen unterbinden oder sanktionieren, sind nur unter strenger Neutralität und Gleichbehandlung zulässig.

Die Frage, ob eine Norm nach diesen Grundsätzen noch als allgemeines Gesetz oder als Sonderrecht zu beurteilen ist, lässt sich dabei nicht schematisch beantworten. Es kommt vielmehr auf eine Gesamtsicht an. Abzustellen ist hierbei insbesondere darauf, in welchem Maße eine Norm sich auf abstrakt-inhaltsbezogene, für verschiedene Haltungen offene Kriterien beschränkt oder konkret-standpunktbezogene, insbesondere etwa ideologiebezogene Unterscheidungen zugrunde legt<ref>vgl. ähnlich bereits BVerfGE 47, 198 [232]</ref>. Ein Indiz für Sonderrecht ist es etwa, wenn sich eine Norm als Antwort auf einen konkreten Konflikt des aktuellen öffentlichen Meinungskampfes versteht oder anknüpfend an inhaltliche Positionen einzelner vorfindlicher Gruppierungen so formuliert ist, dass sie im Wesentlichen nur gegenüber diesen zur Anwendung kommen kann. Entsprechendes gilt für Sanktionen eines Verhaltens, das typischerweise einer konkreten Geisteshaltung oder einer spezifischen weltanschaulichen, politischen oder historischen Deutung entspringt, beziehungsweise auch für Normen, die exklusiv auf die Zugehörigkeit zu Gruppen abstellen, die durch solche Haltungen definiert sind. Je mehr eine Norm so angelegt ist, dass sie absehbar allein Anhänger bestimmter politischer, religiöser oder weltanschaulicher Auffassungen trifft und somit auf den öffentlichen Meinungskampf einwirkt, desto mehr spricht dafür, dass die Schwelle zum Sonderrecht überschritten ist. Ein Anzeichen für Sonderrecht ist gleichfalls, wenn ein meinungsbeschränkendes Gesetz an bestimmte historische Deutungen von Geschehnissen anknüpft oder es sich auf den Schutz von Rechtsgütern eines nicht mehr offenen, sondern bereits feststehenden Personenkreises beschränkt. Insgesamt kommt es darauf an, ob die meinungsbeschränkende Norm eine prinzipielle inhaltliche Distanz zu den verschiedenen konkreten Positionen im politischen und weltanschaulichen Meinungskampf wahrt.

b) Hiervon ausgehend ist § 130 Abs. 4 StGB kein allgemeines Gesetz. Zwar dient die Vorschrift dem öffentlichen Frieden und damit dem Schutz eines Rechtsguts, das auch sonst in der Rechtsordnung vielfältig geschützt wird. Jedoch gestaltet § 130 Abs. 4 StGB diesen Schutz nicht in inhaltsoffener, allgemeiner Art aus, sondern bezogen allein auf Meinungsäußerungen, die eine bestimmte Haltung zum Nationalsozialismus ausdrücken. Die Vorschrift dient nicht dem Schutz von Gewaltopfern allgemein und stellt bewusst nicht auf die Billigung, Verherrlichung und Rechtfertigung der Gewalt- und Willkürherrschaft totalitärer Regime insgesamt ab, sondern ist auf Äußerungen allein in Bezug auf den Nationalsozialismus begrenzt. Auch der Entstehungsgeschichte nach wurde die Vorschrift maßgeblich als Antwort auf öffentliche Versammlungen und Aufmärsche von Rechtsradikalen verstanden, die in ihren Kundgebungen an die Zeit des Nationalsozialismus anknüpfen -- nicht zuletzt gerichtet gerade auch gegen die jährlichen Gedenkveranstaltungen für Rudolf Heß <ref>. Sitzungsprotokoll des Deutschen Bundestags 15/158 vom 18. Februar 2005, S. 14818, 14820; Innenausschussprotokoll 15/56 vom 7. März 2005, S. 11, 22 ff., 44, 45, 53 f., 57; BTDrucks 15/5051, S. 6; Sitzungsprotokoll des Deutschen Bundestags 15/164 vom 11. März 2005, S. 15352</ref>. Sie ist insoweit die Reaktion des Gesetzgebers auf konkrete politische, als besonders gefährlich beurteilte Auffassungen im öffentlichen Meinungskampf. Die Vorschrift pönalisiert Meinungsäußerungen, die sich allein aus einer bestimmten Deutung der Geschichte und einer entsprechenden Haltung ergeben können. Sie ist damit nicht blind gegenüber vorfindlichen Grundpositionen, sondern normiert bereits im Tatbestand konkret-standpunktbezogene Kriterien. Damit ist sie kein allgemeines Gesetz, sondern Sonderrecht zur Abwehr von speziell solchen Rechtsgutverletzungen, die sich aus der Äußerung einer bestimmten Meinung, nämlich der Gutheißung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft, ergeben.

2. § 130 Abs. 4 StGB kann als Sonderrecht auch nicht auf das Recht der persönlichen Ehre nach Art. 5 Abs. 2 Alternative 3 GG -- hier bezogen auf die Würde der Opfer -- gestützt werden. Das Erfordernis der Allgemeinheit meinungsbeschränkender Gesetze gemäß Art. 5 Abs. 2 Alternative 1 GG erstreckt sich auch auf Bestimmungen zum Ehrschutz.

Art. 5 Abs. 2 GG legt einen Begriff des allgemeinen Gesetzes zugrunde, nach dem die Schwelle zum Sonderrecht nicht schon erreicht wird, wenn ein meinungsbeschränkendes Gesetz überhaupt an Meinungsinhalte anknüpft, sondern erst dann, wenn bereits der Tatbestand konkretstandpunktbezogene Anknüpfungen enthält und die Norm damit nicht meinungsneutral ausgestaltet ist. Das in dem Erfordernis der Allgemeinheit liegende Verbot von Sonderrecht gewährleistet nach dieser Auffassung einen Schutz vor Diskriminierung in Anknüpfung an bestimmte Meinungen und politische Anschauungen, wie er ähnlich auch in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Alternative 9 GG ("politische Anschauungen") enthalten ist, und sichert damit rechtsstaatliche Distanz zum Schutz der Meinungsfreiheit. In diesem Verständnis muss das Sonderrechtsverbot dann aber allgemein gelten und sich auf alle meinungsbeschränkenden Gesetze erstrecken. Gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der Jugend oder der persönlichen Ehre unterliegen ihm ebenso wie solche zum Schutz anderer Rechtsgüter. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht auch bisher schon etwa den Straftatbestand der Beleidigung als allgemeines Gesetz angesehen<ref>vgl. BVerfGE 69, 257 [268 f.]; 93, 266 [291]; vgl. auch BVerfGK 1, 289 [291]</ref>. Dieses Verständnis findet auch in der Geschichte der Meinungsfreiheit eine Stütze. Bereits nach Art. 118 der Verfassung des Deutschen Reichs (Weimarer Reichsverfassung) fand die Meinungsfreiheit ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen. Eine zusätzliche, über Einzelbestimmungen zum Zensurverbot hinausgehende Ausnahme zum Jugend- und Ehrschutz enthielt die Vorschrift nicht. Vielmehr wurden solche Bestimmungen als von den allgemeinen Gesetzen grundsätzlich mitumfasst angesehen, und zwar unabhängig von den verschiedenen Positionen um die inhaltliche Auslegung des Allgemeinheitskriteriums zwischen der Sonderrechtslehre<ref>vgl. Häntzschel, AöR, Bd. 10, 1926, S. 228 [232]; Häntzschel, in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 2, 1932, S. 651 [657 ff.]; Rothenbücher, in: VVDStRL Heft 4, 1928, S. 6 [20]</ref> und der Lehre von Smend<ref>vgl. VVDStRL Heft 4, 1928, S. 44 [52]</ref>. Es ist nicht ersichtlich, dass der Grundgesetzgeber mit Art. 5 Abs. 1 und 2 GG diesbezüglich eine andere Grundentscheidung treffen wollte. Die ausdrückliche Aufnahme des Jugend- und Ehrschutzes in Art. 5 Abs. 2 GG sollte lediglich sicherstellen, dass solche Vorschriften weiterhin zulässig sind. Sie sollte jedoch nicht die an alle Gesetze zu stellenden Anforderungen an eine rechtsstaatliche Distanz durch Meinungsneutralität zurücknehmen.

3. § 130 Abs. 4 StGB ist auch als nichtallgemeines Gesetz mit Art. 5 Abs. 1 und 2 GG vereinbar. Angesichts des sich allgemeinen Kategorien entziehenden Unrechts und des Schreckens, die die nationalsozialistische Herrschaft über Europa und weite Teile der Welt gebracht hat, und der als Gegenentwurf hierzu verstandenen Entstehung der Bundesrepublik Deutschland ist Art. 5 Abs. 1 und 2 GG für Bestimmungen, die der propagandistischen Gutheißung des nationalsozialistischen Regimes in den Jahren zwischen 1933 und 1945 Grenzen setzen, eine Ausnahme vom Verbot des Sonderrechts für meinungsbezogene Gesetze immanent.

a) Von dem Erfordernis der Allgemeinheit meinungsbeschränkender Gesetze gemäß Art. 5 Abs. 2 GG ist eine Ausnahme anzuerkennen für Vorschriften, die auf die Verhinderung einer propagandistischen Affirmation der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft zwischen den Jahren 1933 und 1945 zielen. Das menschenverachtende Regime dieser Zeit, das über Europa und die Welt in unermesslichem Ausmaß Leid, Tod und Unterdrückung gebracht hat, hat für die verfassungsrechtliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland eine gegenbildlich identitätsprägende Bedeutung, die einzigartig ist und allein auf der Grundlage allgemeiner gesetzlicher Bestimmungen nicht eingefangen werden kann. Das bewusste Absetzen von der Unrechtsherrschaft des Nationalsozialismus war historisch zentrales Anliegen aller an der Entstehung wie Inkraftsetzung des Grundgesetzes beteiligten Kräfte (vgl. Verfassungsausschuss der Ministerpräsidenten-Konferenz der Westlichen Besatzungszonen, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948, S. 18, 20, 22, 56), insbesondere auch des Parlamentarischen Rates<ref>vgl. Parlamentarischer Rat, Schriftlicher Bericht zum Entwurf des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Anlage zum stenographischen Bericht der 9. Sitzung des Parlamentarischen Rates am 6. Mai 1949, S. 5, 6, 9</ref> und bildet ein inneres Gerüst der grundgesetzlichen Ordnung<ref>vgl. nur Art. 1, Art. 20 und Art. 79 Abs. 3 GG</ref>. Das Grundgesetz kann weithin geradezu als Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des nationalsozialistischen Regimes gedeutet werden und ist von seinem Aufbau bis in viele Details hin darauf ausgerichtet, aus den geschichtlichen Erfahrungen zu lernen und eine Wiederholung solchen Unrechts ein für alle Mal auszuschließen. Die endgültige Überwindung der nationalsozialistischen Strukturen und die Verhinderung des Wiedererstarkens eines totalitär nationalistischen Deutschlands war schon für die Wiedererrichtung deutscher Staatlichkeit durch die Alliierten ein maßgeblicher Beweggrund und bildete -- wie etwa die Atlantik-Charta vom 14. August 1941, das Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 und das Kontrollratsgesetz Nr. 2 zur Auflösung und Liquidierung der Naziorganisationen vom 10. Oktober 1945 zeigen -- eine wesentliche gedankliche Grundlage für die Frankfurter Dokumente vom 1. Juli 1948, in denen die Militärgouverneure die Ministerpräsidenten aus ihren Besatzungszonen mit der Schaffung einer neuen Verfassung beauftragten. Auch für die Schaffung der Europäischen Gemeinschaften sowie zahlreiche internationale Vertragswerke wie insbesondere auch die Europäische Menschenrechtskonvention ging von den Erfahrungen der Zerstörung aller zivilisatorischen Errungenschaften durch den Nationalsozialismus ein entscheidender Impuls aus. Sie prägen die gesamte Nachkriegsordnung und die Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in die Völkergemeinschaft bis heute nachhaltig.

Vor diesem Hintergrund entfaltet die propagandistische Gutheißung der historischen nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft mit all dem schrecklichen tatsächlich Geschehenen, das sie zu verantworten hat, Wirkungen, die über die allgemeinen Spannungslagen des öffentlichen Meinungskampfes weit hinausgehen und allein auf der Grundlage der allgemeinen Regeln zu den Grenzen der Meinungsfreiheit nicht erfasst werden können. Die Befürwortung dieser Herrschaft ist in Deutschland ein Angriff auf die Identität des Gemeinwesens nach innen mit friedensbedrohendem Potential. Insofern ist sie mit anderen Meinungsäußerungen nicht vergleichbar und kann nicht zuletzt auch im Ausland tiefgreifende Beunruhigung auslösen. Dieser geschichtlich begründeten Sonderkonstellation durch besondere Vorschriften Rechnung zu tragen, will Art. 5 Abs. 2 GG nicht ausschließen. Das Erfordernis der Allgemeinheit meinungsbeschränkender Gesetze, mit dem Art. 5 Abs. 2 GG den Gesetzgeber in Anknüpfung an lange Traditionslinien darauf verpflichtet, Rechtsgüterschutz vor Meinungsäußerungen unabhängig von bestimmten Überzeugungen, Haltungen und Ideologien zu gewährleisten, kann für diese die geschichtsgeprägte Identität der Bundesrepublik Deutschland betreffende, auf andere Konflikte nicht übertragbare einzigartige Konstellation keine Geltung beanspruchen. § 130 Abs. 4 StGB ist dementsprechend nicht deshalb verfassungswidrig, weil er eine Sonderbestimmung ist, die allein die Bewertung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft zu ihrem Gegenstand hat.

b) Die Offenheit des Art. 5 Abs. 1 und 2 GG für derartige Sonderbestimmungen, die sich auf Äußerungen zum Nationalsozialismus in den Jahren zwischen 1933 und 1945 beziehen, nimmt den materiellen Gehalt der Meinungsfreiheit nicht zurück. Insbesondere kennt das Grundgesetz kein allgemeines antinationalsozialistisches Grundprinzip<ref>vgl. so aber in der Sache: Battis/Grigoleit, NVwZ 2001, S. 121 [123 ff.]; OVG Münster, Beschluss vom 23. März 2001 -- 5 B 395/01 --, NJW 2001, S. 2111</ref>, das ein Verbot der Verbreitung rechtsradikalen oder auch nationalsozialistischen Gedankenguts schon in Bezug auf die geistige Wirkung seines Inhalts erlaubte. Ein solches Grundprinzip ergibt sich insbesondere weder aus Art. 79 Abs. 3 GG noch aus Art. 139 GG, in dem aufgrund bewusster Entscheidung allein die dort genannten Vorschriften von der Geltung der Verfassung ausgenommen werden. Das Grundgesetz gewährt Meinungsfreiheit im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung vielmehr grundsätzlich auch den Feinden der Freiheit. Der Parlamentarische Rat bekannte sich hierzu auch gegenüber dem soeben erst überwundenen Nationalsozialismus. In den Art. 9 Abs. 2, Art. 18 und Art. 21 Abs. 2 GG legte er fest, dass nicht schon die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen als solche die Grenze der freien politischen Auseinandersetzung bildet, sondern erst eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung<ref>vgl. BVerfGE 5, 85 [141]</ref>. Entsprechend gewährleistet Art. 5 Abs. 1 und 2 GG die Meinungsfreiheit als Geistesfreiheit unabhängig von der inhaltlichen Bewertung ihrer Richtigkeit, rechtlichen Durchsetzbarkeit oder Gefährlichkeit<ref>vgl. BVerfGE 90, 241 [247]</ref>. Art. 5 Abs. 1 und 2 GG erlaubt nicht den staatlichen Zugriff auf die Gesinnung, sondern ermächtigt erst dann zum Eingriff, wenn Meinungsäußerungen die rein geistige Sphäre des Für-richtig-Haltens verlassen und in Rechtsgutverletzungen oder erkennbar in Gefährdungslagen umschlagen.

Auch die nach Art. 5 Abs. 1 und 2 GG anzuerkennende Ausnahme von dem Allgemeinheitserfordernis meinungsbeschränkender Gesetze aufgrund der Einzigartigkeit der Verbrechen der historischen nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft und der daraus folgenden Verantwortung für die Bundesrepublik Deutschland öffnet hierzu keine Türen, sondern belässt die Verantwortung für die notwendige Zurückdrängung solch gefährlicher Ideen der Kritik in freier Diskussion. Sie erlaubt dem Gesetzgeber lediglich, für Meinungsäußerungen, die eine positive Bewertung des nationalsozialistischen Regimes in ihrer geschichtlichen Realität zum Gegenstand haben, gesonderte Bestimmungen zu erlassen, die an die spezifischen Wirkungen gerade solcher Äußerungen anknüpfen und ihnen Rechnung tragen. Auch solche Bestimmungen müssen jedoch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen und hierbei strikt an einem veräußerlichten Rechtsgüterschutz, nicht aber einer inhaltlichen Bewertung der betroffenen Meinung orientiert sein. "<ref>BVerfG, Beschluss vom 04.11.2009 - 1 BvR 2150/08 Rdnr. 52 ff.</ref>

Einzelfälle
Vorschriften zu den politischen Mäßigungspflichten der Soldaten und Beamten<ref>vgl. BVerfGE 28, 282 [292]; 39, 334 [367]</ref>
Vorschriften zur Strafbarkeit der Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole gemäß § 90a StGB<ref>vgl. BVerfGE 47, 198 [232]; 69, 257 [268 f.]</ref>
Vorschriften zur Beleidigung nach § 185 StGB<ref>vgl. BVerfGE 93, 266 [291]; BVerfGK 8, 89 [96]; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2009 -- 1 BvR 2272/04 --, NJW 2009, S. 3016 [3017]</ref>
Vorschriften zur Vorgängerfassung des Volksverhetzungstatbestandes nach § 130 StGB a.F.<ref>vgl. BVerfGE 90, 241 [251]; 111, 147 [155]</ref>

Normen

Grundgesetz (GG)

Strafgesetzbuch (StGB)

Rechtsprechung

Publikationen

Siehe auch

Fußnoten

<references />