Allgemeine Ausnahmen vom Anwendungsbereich des Vergaberechts für öffentliche Auftraggeber

Aus Kommunalwiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der 4. Teil des GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)) ist nach GWB § 107 Abs. 1 nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen

  1. zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,
  2. für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung,
  3. zu Arbeitsverträgen,
  4. zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.

Der 4. Teil des GWB ist nach GWB § 107 Abs. 2 ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,

  1. bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder
  2. die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.

Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft. Ferner können im Fall des Satzes 1 Nummer 1 wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession

  1. sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder
  2. Leistungen betreffen, die
a) für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder
b) Verschlüsselung betreffen

und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.

Normen

Rechtsprechung

Europäischer Gerichtshof (EuGH)

  • EuGH, Urteil vom 08.12.2016 - C-553/15: "Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs schließt das Hauptziel der Unionsvorschriften über das öffentliche Auftragswesen, nämlich der freie Waren- und Dienstleistungsverkehr und die Öffnung für einen unverfälschten Wettbewerb in allen Mitgliedstaaten, die Verpflichtung ein, die in den einschlägigen Richtlinien vorgesehenen Vorschriften über die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge anzuwenden, wenn ein öffentlicher Auftraggeber wie etwa eine Gebietskörperschaft beabsichtigt, mit einer rechtlich verschiedenen Einrichtung einen schriftlichen entgeltlichen Vertrag zu schließen, wobei unerheblich ist, ob diese Einrichtung selbst ein öffentlicher Auftraggeber ist<ref>(vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. November 1999, Teckal, C‑107/98, EU:C:1999:562, Rn. 51, und vom 11. Januar 2005, Stadt Halle und RPL Lochau, C‑26/03, EU:C:2005:5, Rn. 44 und 47)</ref>. (29) Der Gerichtshof hat betont, dass jede Ausnahme von der Geltung dieser Verpflichtung eng auszulegen ist<ref>(Urteile vom 11. Januar 2005, Stadt Halle und RPL Lochau, C‑26/03, EU:C:2005:5, Rn. 46, und vom 8. Mai 2014, Datenlotsen Informationssysteme, C‑15/13, EU:C:2014:303, Rn. 23)</ref>."<ref>Abs. 28 f.</ref>

Oberlandesgerichte

  • OLG Schleswig, Beschluss vom 28.08.2015 - 1 Verg 1/15: "Unabhängig davon kann nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass die - grundsätzlich eng auszulegenden - Regelungen in Art. 10 lit. h der Richtlinie 2014/24/EU bzw. eines entsprechenden deutschen Umsetzungsgesetzes (vgl. den vorliegenden Entwurf des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes<ref>[BR-Drucksache 367/15] § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB-E)</ref> die hier betroffenen Leistungen des sog. „Regel-Rettungsdienstes“ und anderer (auch anderen CPV-Codes unterfallender) Leistungen von der (EU-)Ausschreibungspflicht vollständig ausnehmen wird. Das Gleiche gilt für die Frage, ob - etwa bzgl. des Beigeladenen - die (gemeinschaftsrechtlich geforderten) Anforderungen an eine gemeinnützige Organisation erfüllt sind<ref>(vgl. dazu ausführlich: Prieß, NZBau 2015, 343/346 f.; Antweiler, VergabeR 2015, 275 ff.)</ref>. Nach dem Erwägungsgrund 28 der Richtlinie 2014/24/EU soll die Bereichsausnahme in Art. 10 lit. h der Richtlinie „nicht über das notwendigste Maß hinaus“ ausgeweitet werden; Krankenwagen zur Patientenbeförderung sollten nicht ausgenommen werden."<ref>Abs. 50</ref>

Siehe auch

Fußnoten

<references/>