Verfahrensart
Im Vergabeverfahren sind folgende Arten der Vergabe möglich, je nachdem, ob der geschätzte Auftragswert oberhalb oder unterhalb der EU-Schwellenwerte liegt<ref>vgl. Busse/Keller, Taschenbuch für Gemeinde- und Stadträte in Bayern, Boorberg Verlag, 4. Aufl. 2014, ISBN 9783415052086 S. 231</ref>:
Oberschwellenbereich - Verfahrensarten (GWB § 119): | Unterschwellenbereich - Arten der Vergabe (VOB/A § 3): |
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Offenes Verfahren (GWB § 119 Abs. 3) | Öffentliche Ausschreibung (VOB/A § 3 Nr. 1) |
Nichtoffenes Verfahren mit Teilnahmewettbewerb (GWB § 119 Abs. 4) | Beschränkte Ausschreibung mit oder ohne Teilnahmewettbewerb (VOB/A § 3 Nr. 2) |
Verhandlungsverfahren mit oder ohne Teilnahmewettbewerb (GWB § 119 Abs. 5) | Freihändige Vergabe / Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb |
Wettbewerblicher Dialog (GWB § 119 Abs. 6) | |
Innovationspartnerschaft (GWB § 119 Abs. 7) |
Oberschwellenbereich
Überschreitet der geschätzte Auftragswert den sog. EU-Schwellenwert<ref>man spricht hier auch vom "Kartellvergaberecht"</ref>, sind spezielle Vorschriften nach dem sog. Kaskadenprinzip anzuwenden:
- 1. Stufe: Gesetzesebene
- GWB § 97 ff.
- 2. Stufe: Verordnungsebene
- 3. Stufe Ebene der Vergabe- und Vertragsordnungen:
- Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A)<ref>Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen</ref> - Abschnitt 2<ref>vgl. VgV § 2 Satz 2</ref>
Aufträge im Oberschwellenbereich müssen europaweit – zwingend über die Online-Version des „Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union“ für das europäische öffentliche Auftragswesen, d. h. die Plattform „TED“ (Tenders Electronic Daily, https://ted.europa.eu) – ausgeschrieben werden.<ref>Daniel Naumann. Vergaberecht: Grundzüge der öffentlichen Auftragsvergabe (essentials) (German Edition) . Springer Fachmedien Wiesbaden. Kindle-Version.</ref>
Offenes Verfahren
Bei einem offenen Verfahren fordert der öffentliche Auftraggeber eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten auf (GWB § 119 Abs. 3, VgV § 15 Abs. 1 Satz 1). Jedes interessierte Unternehmen kann ein Angebot abgeben (VgV § 15 Abs. 1 Satz 2; VOB/A § 3b EU Abs. 1; SektVO § 14 Abs. 1).
Der öffentliche Auftraggeber darf von den Bietern nur Aufklärung über das Angebot oder deren Eignung verlangen. Verhandlungen, insbesondere über Änderungen der Angebote oder Preise, sind unzulässig. (VgV § 15 Abs. 4)
Nichtoffenes Verfahren
Das nicht offene Verfahren ist nach GWB § 119 Abs. 4 ein Verfahren, bei dem der öffentliche Auftraggeber nach vorheriger öffentlicher Aufforderung zur Teilnahme eine beschränkte Anzahl von Unternehmen nach objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien auswählt (Teilnahmewettbewerb), die er zur Abgabe von Angeboten auffordert.
Bei einem nicht offenen Verfahren fordert der öffentliche Auftraggeber nach VgV § 16 Abs. 1 Satz 1 eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs öffentlich zur Abgabe von Teilnahmeanträgen auf. Jedes interessierte Unternehmen kann einen Teilnahmeantrag abgeben (VgV § 16 Abs. 1 Satz 2). Mit dem Teilnahmeantrag übermitteln die Unternehmen die vom öffentlichen Auftraggeber geforderten Informationen für die Prüfung ihrer Eignung (VgV § 16 Abs. 1 Satz 3). Die vom öffentlichen Auftraggeber vorgesehene Mindestzahl der einzuladenden Bewerber darf beim nicht offenen Verfahren nicht niedriger als fünf sein (VgV § 51 Abs. 2 Satz 1). In jedem Fall muss die vorgesehene Mindestzahl ausreichend hoch sein, sodass der Wettbewerb gewährleistet ist (VgV § 51 Abs. 2 Satz 2).
Verhandlungsverfahren
Wettbewerblicher Dialog
Der wettbewerbliche Dialog im Oberschwellenbereich ist nach GWB § 119 Abs. 6 ein Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge mit dem Ziel der Ermittlung und Festlegung der Mittel, mit denen die Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers am besten erfüllt werden können. Nach einem Teilnahmewettbewerb eröffnet der öffentliche Auftraggeber mit den ausgewählten Unternehmen einen Dialog zur Erörterung aller Aspekte der Auftragsvergabe.
Der öffentliche Auftraggeber kann Aufträge im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb oder im wettbewerblichen Dialog gemäß VgV § 14 Abs. 3 vergeben, wenn
- die Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers nicht ohne die Anpassung bereits verfügbarer Lösungen erfüllt werden können,
- der Auftrag konzeptionelle oder innovative Lösungen umfasst,
- der Auftrag aufgrund konkreter Umstände, die mit der Art, der Komplexität oder dem rechtlichen oder finanziellen Rahmen oder den damit einhergehenden Risiken zusammenhängen, nicht ohne vorherige Verhandlungen vergeben werden kann,
- die Leistung, insbesondere ihre technischen Anforderungen, vom öffentlichen Auftraggeber nicht mit ausreichender Genauigkeit unter Verweis auf eine Norm, eine Europäische Technische Bewertung (ETA), eine gemeinsame technische Spezifikation oder technische Referenzen im Sinne der Anlage 1 Nummer 2 bis 5 beschrieben werden kann oder
- im Rahmen eines offenen oder nicht offenen Verfahrens keine ordnungsgemäßen oder nur unannehmbare Angebote eingereicht wurden; nicht ordnungsgemäß sind insbesondere Angebote, die nicht den Vergabeunterlagen entsprechen, nicht fristgerecht eingereicht wurden, nachweislich auf kollusiven Absprachen oder Korruption beruhen oder nach Einschätzung des öffentlichen Auftraggebers ungewöhnlich niedrig sind; unannehmbar sind insbesondere Angebote von Bietern, die nicht über die erforderlichen Qualifikationen verfügen, und Angebote, deren Preis die vor Einleitung des Vergabeverfahrens festgelegten und dokumentierten eingeplanten Haushaltsmittel des öffentlichen Auftraggebers übersteigt; der öffentliche Auftraggeber kann in diesen Fällen von einem Teilnahmewettbewerb absehen, wenn er in das Verhandlungsverfahren alle geeigneten Unternehmen einbezieht, die form- und fristgerechte Angebote abgegeben haben.
"Der wettbewerbliche Dialog hat sich in Fällen als nützlich erwiesen, in denen öffentliche Auftraggeber nicht in der Lage sind, die Mittel zur Befriedigung ihres Bedarfs zu definieren oder zu beurteilen, was der Markt an technischen, finanziellen oder rechtlichen Lösungen zu bieten hat. Diese Situation kann insbesondere bei innovativen Projekten, bei der Realisierung großer, integrierter Verkehrsinfrastrukturprojekte oder großer Computer-Netzwerke oder bei Projekten mit einer komplexen, strukturierten Finanzierung eintreten. Den öffentlichen Auftraggebern sollte gegebenenfalls empfohlen werden, einen Projektleiter zu ernennen, um eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen den Wirtschaftsteilnehmern und dem öffentlichen Auftraggeber während des Vergabeverfahrens zu gewährleisten."<ref>Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (Vergaberichtlinie) Erwägungsgrund (42)</ref>
Innovationspartnerschaft
Die Innovationspartnerschaft ist ein Verfahren zur Entwicklung innovativer, noch nicht auf dem Markt verfügbarer Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen und zum anschließenden Erwerb der daraus hervorgehenden Leistungen. Nach einem Teilnahmewettbewerb verhandelt der öffentliche Auftraggeber in mehreren Phasen mit den ausgewählten Unternehmen über die Erst- und Folgeangebote. (GWB § 119 Abs. 7) Die Marktverfügbarkeit kann über eine Markterkundung (VgV § 28) analysiert werden.
Der Beschaffungsbedarf, der der Innovationspartnerschaft zugrunde liegt, darf nach VgV § 19 Abs. 1 Satz 2 nicht durch auf dem Markt bereits verfügbare Liefer- oder Dienstleistungen befriedigt werden können. Der öffentliche Auftraggeber beschreibt in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen die Nachfrage nach der innovativen Liefer- oder Dienstleistung (VgV § 19 Abs. 1 Satz 3). Dabei ist anzugeben, welche Elemente dieser Beschreibung Mindestanforderungen darstellen (VgV § 19 Abs. 1 Satz 4). Es sind Eignungskriterien vorzugeben, die die Fähigkeiten der Unternehmen auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung sowie die Ausarbeitung und Umsetzung innovativer Lösungen betreffen (VgV § 19 Abs. 1 Satz 5). Die bereitgestellten Informationen müssen so genau sein, dass die Unternehmen Art und Umfang der geforderten Lösung erkennen und entscheiden können, ob sie eine Teilnahme an dem Verfahren beantragen (VgV § 19 Abs. 1 Satz 6).
Normen
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
Vergabeverordnung (VgV)
Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A)<ref>Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen</ref>
Siehe auch
Fußnoten
<references/>