Berechtigte Ansprüche einzelner (Ausschluss der Öffentlichkeit)
Die Sitzungen des Gemeinderats sind nach GO Art. 52 Abs. 2 Satz 1 öffentlich, soweit nicht
- Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder
- auf berechtigte Ansprüche einzelner
entgegenstehen.
"Berechtigte Ansprüche einzelner sind rechtlich geschützte oder anerkannte Interessen. Ein solches Interesse kann darin bestehen, zu vermeiden, dass persönliche oder wirtschaftliche Verhältnisse bekannt werden, an deren Erörterung die Allgemeinheit kein berechtigtes Interesse hat und deren Bekanntgabe für den einzelnen nachteilig sein könnte. Die einzelnen Bieter haben ein schutzwürdiges Interesse daran, dass ihr Know-how und ihre Betriebsgeheimnisse nicht bekannt und von Konkurrenten verwertet werden können. Bieter sollen auch nicht dadurch, dass sie vergleichbare Einzelheiten von Angeboten erfahren, Rückschlüsse auf die Kalkulation ihrer Konkurrenten ziehen können."<ref>Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration - Rundschreiben vom 24.09.2019 - Kommunale Auftragsvergaben; Öffentlichkeit der Sitzungen kommunaler Gremien bei Vergabeangelegenheiten und Veröffentlichung von Auftragsdaten - B3-1512-30-5 Seite 3 f.</ref>
Die Ausschlussgründe des GO Art. 52 Abs. 2 Satz 1 ebenso wie die Verschwiegenheitspflicht nach GO Art. 20 Abs. 1 stehen grundsätzlich nicht zur Disposition der jeweils Betroffenen<ref>(vgl. BayVGH B.v. 29.1.2004 – 4 ZB 03.174 – BayVBl 2004, 402/403; OVG RhPf U.v. 2.9.1986 – 7 A 7/86 – NVwZ 1988, 80)</ref><ref>BayVGH, Beschluss vom 20.04.2015 - 4 CS 15.381 = BayVBl. 2015, 630</ref>.
Die Geschäftsordnung für den Stadtrat Burgkunstadt beschreibt in § 22 Fallgruppen, die in der Regel in nichtöffentlicher Sitzung behandelt werden. Im Zweifel ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen<ref>vgl. Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen, BayVBl. 2021, 253, 261 Fn. 14</ref>
Persönliche Verhältnisse
"Berechtigte Ansprüche Einzelner sind private oder öffentliche Rechte, aber auch rechtlich geschützte oder anerkannte Interessen einzelner Personen oder Personengemeinschaften. Sie können z.B. darin bestehen, dass
- das Einkommen,
- die Vermögens- und Eigentumsverhältnisse,
- die wirtschaftlichen Belastungen oder
- die Geschäftsbeziehungen Einzelner
nicht öffentlich bekannt werden.
Datenschutz
Zweck des Datenschutzes ist es, den Einzelnen davor zu schützen, durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt zu werden.<ref>vgl. § 1 Abs. 1 BDSG a.F.</ref>.
„Personenbezogene Daten“ sind nach DSGVO Art. 4 Nr. 1 alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden „betroffene Person“) beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.
Personenbezogene Daten müssen nach DSGVO Art. 5 Abs. 1 Buchst. c) dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein ("Datenminimierung");
Zum Schutz personenbezogener Daten in nicht öffentlichen Sitzungen der kommunalen politischen Vertretung vgl. Martin Zilkens / Günter Elschner, DVBl 2002, 163-173.
Insbesondere datenschutzrechtliche Vorschriften, v.a. BayDSG Art. 19 sind hier zu beachten."<ref>Schreiben der Regierung von Unterfranken vom 10.03.2011 - 12-1426.00-1/1 - Öffentlichkeit von Sitzungen kommunaler Gremien; Auskunftsanspruch der Presse gegenüber den Kommunen - Seite 2</ref>
"Schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung, z.B. einer Ruf- oder Geschäftsschädigung genügt; so kann es den anerkannten Interessen des Einzelnen bereits zuwiderlaufen, wenn Dritte von der Angelegenheit erfahren können. Entscheidend ist, ob eine solche Gefahr im objektiven Sinne, d.h. nicht dem subjektiven Empfinden der Betroffenen nach besteht<ref>vgl. Prandl/Zimmermann/Büchner, Kommunalrecht in Bayern, 10.52 Rd.-Nr. 8</ref>. Bereiche, bei denen typischerweise berechtigte Ansprüche Einzelner einer öffentlichen Behandlung entgegen stehen, sind insbesondere
Personalangelegenheiten
- Einstellungen
- Beförderungen
- Höhergruppierungen
- Entlassungen
- Kündigungen
- Dienstordnungsangelegenheiten<ref>zitiert nach Friedrich Ebert Stiftung, Die (Nicht-)Öffentlichkeit der Sitzung </ref>
Grundstücksgeschäfte/ Grundstücksangelegenheiten
- nur bei Hinzutreten weiterer Kriterien<ref>Friedrich Ebert Stiftung, Die (Nicht-)Öffentlichkeit der Sitzung</ref>
Vergabeangelegenheiten
Grundsatz
Grundsätzlich ist im Einzelfall zu prüfen, auch ob ggf. eine Aufteilung eines Tagesordnungspunktes in einen öffentlichen und einen nichtöffentlichen Teil vorzunehmen ist. Beachte die weiterführenden Quellen:
- grundlegend BGH, Urteil vom 23.04.2015 - III ZR 195/14
- BayVGH, Urteil vom 23. März 1988 - 4 B 86.02994 = BayVBl 1989, 81
- BVerwG, BayVBl 1990, 157
- Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration - Rundschreiben vom 24.09.2019 - Kommunale Auftragsvergaben; Öffentlichkeit der Sitzungen kommunaler Gremien bei Vergabeangelegenheiten und Veröffentlichung von Auftragsdaten - B3-1512-30-5<ref>Die Schreiben des Staatsministeriums des Innern vom 06.12.1994, 06.03.1995 und 12.07.2006, Nr. IB1-1413.14-1, sowie vom 01.04.1997, Nr. IB4-1512.41-02, werden durch dieses Rundschreiben ersetzt.</ref>
- von Bechtolsheim/Betz, Kommunalrechtliches Öffentlichkeitsprinzip versus vergaberechtlichen Geheimhaltungsgrundsatz, KommJur 2006, 1-6;
- Geiger, Vergabe von Bauaufträgen in öffentlichen Sitzungen, BayVBl 1985, 359; </ref>
Nichtöffentlich zu behandeln
Persönliche Verhältnisse des Bieters, z.B. Bonität, Zuverlässigkeit, Kalkulation, namentliche Nennung nachplatzierter Bieter, Erstellung von Bieterlisten vor beschränkten Ausschreibungen<ref>Busse/Keller, Taschenbuch für Gemeinde- und Stadträte in Bayern, Boorberg Verlag, 4. Aufl. 2014, ISBN 9783415052086 S. 239 f.</ref>
Unterhalb der EU-Schwellenwerte
Oberhalb der EU-Schwellenwerte
Zu beachten:
- VgV § 5
- SektVO § 5
- KonzVgV 4
- GWB § 134 Abs. 1
- Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986 vom 11.01.2015 zur Einführung von Standardformularen für die Veröffentlichung von Vergabebekanntmachungen für öffentliche Aufträge und zur Aufhebung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 842/2011
Für Bauaufträge:
- VOB/A § 14 Abs. 6,7 und 8
einzelfallbezogene Abgabeangelegenheiten
z.B.
- Stundung
- Erlass
- Niederschlagung<ref>zitiert nach Friedrich Ebert Stiftung, Die (Nicht-)Öffentlichkeit der Sitzung </ref><ref>Die Verletzung des Steuergeheimnisses kann auch strafrechtliche Konsequenzen haben</ref>
Sparkassenangelegenheiten<ref>Schreiben der Regierung von Unterfranken vom 10.03.2011 - 12-1426.00-1/1 - Öffentlichkeit von Sitzungen kommunaler Gremien; Auskunftsanspruch der Presse gegenüber den Kommunen - Seite 2</ref>
Ausschluss eines Stadtratsmitglieds aus dem Stadtrat<ref>vgl. Friedrich Ebert Stiftung, Die (Nicht-)Öffentlichkeit der Sitzung</ref>
Angelegenheiten der Rechnungsprüfung<ref>so VG Gelsenkirchen, VR 1983, 393</ref> mit Ausnahme der Entlastungsentscheidung<ref>vgl. von Arnim, Gemeindehaushalt 1981, 258 ff.</ref>
Zuwendungen im Einzelfall
Über die Annahme von Zuwendungen befindet der Gemeinderat oder ein von diesem bevollmächtigter Ausschuss. Die Sitzung findet nichtöffentlich statt, wenn berechtigte Interessen Einzelner, insbesondere des Zuwendungsgebers oder des begünstigten Dritten der Öffentlichkeit entgegenstehen<ref>[https://www.realschulebayern.de/fileadmin/brn/schulleitung/kms/archiv_alt/1103328a.pdf Anlage zum IMS vom 27. Oktober 2008 - Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Spenden, Schenkungen und ähnlichen Zuwendungen für kommunale/gemeinnützige Zwecke vom Bayerischen Staatsministerium des Innern gemeinsam erarbeitet mit dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz und den kommunalen Spitzenverbänden in Bayern, Ziffer 3.3.1.]</ref>.
Fußnoten
<references/>