Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Bundesbehörden

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"Das Grundrecht der Pressefreiheit verleiht einen verfassungsunmittelbaren Anspruch auf Auskunft gegenüber Bundesbehörden in Ermangelung einer einfachgesetzlichen Regelung des Bundesgesetzgebers, soweit auf sie die Landespressegesetze wegen einer entgegenstehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht anwendbar sind<ref>(vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Februar 2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 29 und vom 25. März 2015 - 6 C 12.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:250315U6C12.14.0] - BVerwGE 151, 348 Rn. 24; Beschluss vom 20. Juli 2015 - 6 VR 1.15 [ECLI:DE:BVerwG:2015:200715B6VR1.15.0] - NVwZ 2015, 1383 Rn. 6)</ref>."<ref>BVerwG, Urteil vom 16.03.2016 - 6 C 66.14 Abs. 13</ref>

Die Landespressegesetze können grundsätzlich auch Auskunftsansprüche der Presse gegen Bundesbehörden begründen (str.)<ref>vgl. Löffler, Presserecht: Kommentar zu den deutschen Landespressegesetzen mit pressebezogenem Standesrecht, Anzeigenrecht,..., 5. Aufl. 2006, Verlag C.H.Beck München, ISBN 3406534317 § 4 LPG Rn. 54 ff. mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 03.12.1974 - I C 30.71 = BVerwGE 47, 247; NJW 1975, 891</ref>, nicht jedoch gegenüber solchen Bundesbehörden, deren Auskunftspflicht als Annextätigkeit einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes zuzurechnen ist wie es beim Bundesnachrichtendienst der Fall ist.<ref>BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 6 A 2.12.</ref> Die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung von Presseauskünften gegenüber dem Bundesnachrichtendienst liegt beim Bund. Solange der Bund von seiner gesetzlichen Regelungskompetenz keinen Gebrauch macht, folgt ein Auskunftsanspruch der Presse unmittelbar aus GG Art. 5 Abs. 1 Satz 2. Das Auskunftsbegehren kann auch nicht auf EMRK Art. 10 oder IPpbR Art. 19 gestützt werden<ref>BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 6 A 2.12</ref>.

Frühere Rechtsprechung

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung besteht "kein grundrechtsunmittelbarer presserechtlicher Auskunftsanspruch, d. h. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthält keinen selbstständigen, die presserechtlichen Regelungen ergänzenden Informationsanspruch der Presse gegenüber staatlichen Behörden und gewährt kein Recht auf Eröffnung einer Informationsquelle<ref>(vgl. BVerfG, U. v. 24.1.2001 - 1 BvR 2623/95, 1 BvR 622/99 - BVerfGE 103, 44-81, juris; BVerwG, U. v. 13.12.1984 - 7 C 139/81 - juris; OVG NW, U. v. 23.5.1995 - 5 A 2875/92 - NJW 1995, 2741 f. m. w. N.; B. v. 3.2.2000 - 5 B 1717/99 - NJW 2000, 1968 f. m. w. N.)</ref>."<ref>VG Augsburg, Beschluss vom 24.11.2015 – 7 E 15.1671 Abs. 36</ref>

"GG Art. 5 Abs. 1 Satz 2 gewährleistet nicht nur ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, sondern garantiert darüber hinaus in seinem objektiv-rechtlichen Gehalt die institutionelle Eigenständigkeit der Presse<ref>BVerfG, Urteil vom 5. August 1966 - 1 BvR 586/62 u.a. - BVerfGE 20, 162 <175 f.>; BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1984 - BVerwG 7 C 139.81 - BVerwGE 70, 310 <311> = Buchholz 422.1 Presserecht Nr. 3 S. 7</ref>. Der Gesetzgeber ist hieraus in der Pflicht, die Rechtsordnung in einer Weise zu gestalten, die der besonderen verfassungsrechtlichen Bedeutung der Presse gerecht wird und ihr eine funktionsgemäße Betätigung ermöglicht. Hierzu zählt auch die Schaffung von behördlichen Auskunftspflichten<ref>vgl. BVerfG, Urteil vom 5. August 1966 a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1984 a.a.O. S. 314 bzw. S. 10</ref>, die es der Presse erleichtern oder in Einzelfällen sogar überhaupt erst ermöglichen, ihre Kontroll- und Vermittlungsfunktionen zu erfüllen, die in der repräsentativen Demokratie unerlässlich sind. Beim Erlass entsprechender Auskunftsregeln steht dem Gesetzgeber - wie in anderen Fällen der Umsetzung objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte - ein weiter Ausgestaltungsspielraum zu. Er kann die aus seiner Sicht der Auskunftserteilung entgegenstehenden privaten und öffentlichen Interessen berücksichtigen und gegenüber dem Auskunftsinteresse der Presse bzw. der Öffentlichkeit in Abwägung bringen<ref>vgl. Urteil vom 13. Dezember 1984 a.a.O. S. 315 bzw. S. 10</ref>. Im Hinblick auf die Gewichtung und Austarierung dieser Interessen unterliegt er deutlich schwächeren verfassungsrechtlichen Direktiven als beim Erlass von Regelungen, mit denen Eingriffe in den abwehrrechtlichen Gewährleistungsgehalt von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbunden sind. So ist er im Grundsatz etwa nicht gehindert, bei Vorliegen plausibler Gründe auch solchen Vertraulichkeitsinteressen im Einzelfall Vorrang einzuräumen, die bei abstrakter Betrachtung nicht das verfassungsrechtliche Gewicht aufbringen, das der Pressefreiheit zukommt; ebenso wenig ist er grundsätzlich gehindert, auf der Grundlage typisierender bzw. pauschalierender Interessensgewichtungen und -abwägungen bestimmte behördliche Funktionsbereiche von der Pflicht zur Auskunftserteilung ganz auszunehmen. Entscheidend ist, dass die Auskunftsregelungen insgesamt hinreichend effektiv sind, d.h. der Presse im praktischen Gesamtergebnis eine funktionsgemäße Betätigung sichern.

Bleibt der zuständige Gesetzgeber untätig, muss unmittelbar auf das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als Rechtsgrundlage für pressespezifische Auskunftspflichten zurückgegriffen werden. Ohne einen solchen Rückgriff, der - was nach der Verfassungsordnung die Ausnahme bleibt - den objektiv-rechtlichen Gewährleistungsgehalt des Grundrechts in einen subjektiv-rechtlichen Anspruch umschlägt, liefe die Pressefreiheit in ihrem objektiv-rechtlichen Gewährleistungsgehalt leer. Die Anwendung des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs muss jedoch in einer Weise vorgenommen werden, die nicht die Ausgestaltungsprärogative des Gesetzgebers unterläuft, indem sie auf Grundlage von Interessensgewichtungen und -abwägungen erfolgt, die nach der Verfassungsordnung nur der Gesetzgeber vorzunehmen befugt ist. Die Position von Behörden oder Gerichten, die über die Berechtigung eines geltend gemachten verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs zu entscheiden haben, ist schon im Ansatz nicht vergleichbar mit der Position des Gesetzgebers, der in Umsetzung des Gestaltungsauftrags aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gesetzliche Regelungen zu treffen hat. Dies zwingt dazu, den verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch auf das Niveau eines „Minimalstandards“ zu begrenzen, den auch der Gesetzgeber nicht unterschreiten dürfte. Danach endet das verfassungsunmittelbare Auskunftsrecht von Pressevertretern dort, wo berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen entgegenstehen. Sind solche schutzwürdigen Interessen nicht erkennbar, wäre auch eine gesetzliche Bestimmung, welche der Presse die Auskunft verwehrte, mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und den hierin angelegten Ausgestaltungsdirektiven nicht vereinbar. Berechtigte schutzwürdige Interessen der hier in Rede stehenden Art sind beispielhaft in den Landespressegesetzen aufgeführt, deren insoweit einschlägige Bestimmungen (vgl. etwa § 4 Abs. 2 BlnPrG) im hier interessierenden Zusammenhang freilich nicht als abschließend verstanden werden dürfen.

Der im vorstehend beschriebenen Umfang durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Informationszugang beschränkt sich auf die bei der informationspflichtigen Stelle tatsächlich vorhandenen Informationen. Das sind diejenigen Informationen, die zum Zeitpunkt des begehrten Informationszugangs tatsächlich vorliegen. Aus der Pflicht der Behörde, die Pressetätigkeit ausschließlich durch Offenlegung bestimmter Fakten und Tatsachen aufgrund konkreter Fragen zu unterstützen, folgt eine Begrenzung des Auskunftsrechts der Presse; denn diesem Recht auf Auskunft korrespondiert die Pflicht der Behörde zur Auskunftserteilung. Die Frage darf nicht so allgemein gehalten sein und ohne Bezug zu einem konkreten Tatsachenkomplex, dass zu ihrer Beantwortung eine Sachverhaltsforschung und Untersuchung seitens der Behörde erforderlich wird <ref>Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 93</ref>: Das Auskunftsrecht führt also nicht zu einer Informationsbeschaffungspflicht zu Lasten der Behörde. Müssen Informationen erst durch Untersuchungen generiert werden, sind sie als Gegenstand eines presserechtlichen Auskunftsanspruchs noch nicht vorhanden."<ref>BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 6 A 2.12</ref>

Aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG läßt sich ein Rechtsanspruch der Presse gegenüber einer Rundfunkanstalt auf Erteilung von Auskünften nicht herleiten<ref>BVerwG, Urteil vom 13.12.1984 - 7 C 139/81</ref>.

Anspruch aus Landespressegesetzen

Die Landespressegesetze können grundsätzlich auch Auskunftsansprüche der Presse gegen Bundesbehörden begründen (str.)<ref>vgl. Löffler, Presserecht: Kommentar zu den deutschen Landespressegesetzen mit pressebezogenem Standesrecht, Anzeigenrecht,..., 5. Aufl. 2006, Verlag C.H.Beck München, ISBN 3406534317 § 4 LPG Rn. 54 ff. mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 03.12.1974 - I C 30.71 = BVerwGE 47, 247; NJW 1975, 891</ref>, nicht jedoch gegenüber solchen Bundesbehörden, deren Auskunftspflicht als Annextätigkeit einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes zuzurechnen ist wie es beim Bundesnachrichtendienst der Fall ist.<ref>BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 6 A 2.12.</ref> Die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung von Presseauskünften gegenüber dem Bundesnachrichtendienst liegt beim Bund. Solange der Bund von seiner gesetzlichen Regelungskompetenz keinen Gebrauch macht, folgt ein Auskunftsanspruch der Presse unmittelbar aus GG Art. 5 Abs. 1 Satz 2. Das Auskunftsbegehren kann auch nicht auf EMRK Art. 10 oder IPpbR Art. 19 gestützt werden<ref>BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 6 A 2.12</ref>.

Informationsfreiheitsgesetz - (IFG)

"Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes begründet Jedermannspflichten und formt nicht spezifisch die informationsrechtliche Stellung der Presse aus. Seine Zugangsregelungen und Begrenzungsvorschriften reflektieren nicht die besonderen Funktionsbedürfnisse der Presse. Der Bundesgesetzgeber hat mit seinem Erlass nicht zur Erfüllung des Gestaltungsauftrags gehandelt, der ihm aus dem objektiv-rechtlichen Gewährleistungsgehalt des GG Art. 5 Abs. 1 Satz 2 erwächst."<ref>BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 6 A 2.12</ref>

EMRK Art. 10

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 20.02.2013<ref>BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 6 A 2.12</ref> offen gelassen, ob das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 14. April 2009 in der Sache „Tarsasag a Szabadsagjogokert vs. Ungarn“ (RS 37374/05)<ref>EGMR, Urteil vom 14.04.2009 RS 37374/05</ref> in dem Sinne zu verstehen ist, dass der Gerichtshof jedenfalls für den Bereich der Presse und bestimmter Nichtregierungsorganisationen Art. 10 EMRK auf der Tatbestandsebene ein allgemeines - und nicht nur auf spezifische Fallgruppen beschränktes - Recht auf Zugang zu Verwaltungsinformationen entnimmt. Ebenso hat das BVerwG offen gelassen, inwiefern sich zwischen der Schrankenregelung in Art. 10 Abs. 2 EMRK auf der einen und nationalen Ausschlusstatbeständen wie §§ 3 f. IFG oder § 4 Abs. 2 BlnPrG bzw. den tatbestandlichen Schranken des verfassungsmittelbaren Anspruchs aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auf der anderen Seite überhaupt Deckungslücken mit der Folge auftun, dass in bestimmten Konstellationen ein nach nationalem Recht ausgeschlossenes Auskunftsrecht im Lichte der Europäischen Menschenrechtskonvention begründet sein kann. Art. 10 EMRK gebietet nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nach dem vorerwähnten Urteil des Gerichtshofs (Rn. 36) eine Herausgabe von Verwaltungsinformationen jedenfalls dann nicht, wenn diese nicht aufbereitet und unmittelbar verfügbar sind („ready and available“), sondern durch eigene Recherchen der Behörde erst zusammengestellt werden müssten („require the collection of any data by the Government“).<ref>BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 6 A 2.12</ref>

Rechtsprechung

Fußnoten

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