Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 10. Juni 2020, 11:16 Uhr

Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach

in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und

  • die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden. (BauGB § 34 Abs. 1)

Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) bezeichnet sind, beurteilt sich gemäß BauGB § 34 Abs. 2 die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO)in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist BauGB § 31 Abs. 1, im Übrigen ist BauGB § 31 Abs. 2 entsprechend anzuwenden. (BauGB § 34 Abs. 2)

BVerwG, Urteil vom 26.05.1978 - IV C 9.77

"Das Merkmal des "Einfügens" unterwirft die Zulässigkeit von Vorhaben im unbeplanten Innenbereich, wie bereits hervorgehoben, schärferen Anforderungen, als sie innerhalb des § 34 BBauG 1960 vom Merkmal der "Unbedenklichkeit" ausgingen. Zu klären ist, worin die Verschärfung besteht. Das bereitet Schwierigkeiten. Das Wort "Einfügen" ist nicht eindeutig (a). Auch Hinweise darauf, daß das Einfügen im Vergleich zur Unbedenklichkeit eine "positivere" Anforderung sei (b) oder daß § 34 BBauG in seiner neuen Fassung keine (materiellen) "Verschlechterungen" mehr gestatte (c), führen nicht durchschlagend wieder.

a) Das Wort "Einfügen" ergibt nicht schon aus sich, was die in Rede stehende Verschärfung kennzeichnet. Sein Wortsinn zwingt nicht einmal zu der Annahme, daß mehr als das Fehlen eines bodenrechtlich relevanten Widerspruchs gemeint sei. Dem Wortsinn läßt sich erst recht nicht entnehmen, was sich im Vergleich zur Unbedenklichkeit geändert hat. Das eine wie das andere wird darin deutlich, daß der erkennende Senat in seinem Urteil vom 23. April 1969<ref>(a.a.O. S. 32)</ref> bereits zu § 34 BBauG - 1960 die Auslegungsformeln "anpassen" und "einfügen" erwogen und nicht als unzutreffend, sondern - wegen des tendenziell mehr "negativen Gehalt[s]" des Merkmals der Unbedenklichkeit nur als mißverständlich bezeichnet hat.

b) Ebenso ist auch mit der - an das erwähnte Urteil vom 23. April 1969 a.a.O. anknüpfenden - Erläuterung, daß das Einfügen im Verhältnis zur Unbedenklichkeit "einen mehr positiven Gehalt" habe und "im positiven Sinne" etwas fordere<ref>(so z.B. Dyong in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Bundesbaugesetz § 34 Rdnr. 13)</ref>, lediglich herausgestellt, daß die Änderung auf eine Verschärfung zielt. Das Wort "positiv [er]" ergibt dagegen nicht, worin der Unterschied liegt.

c) Der Gehalt dessen, was das "Einfügen" von der "Unbedencklichkeit" unterscheidet, wird greifbar auch nicht dadurch zum Ausdruck gebracht, daß man das "Einfügen" als eine Abkehr von der "Verschlechterungsrechtsprechung" bezeichnet<ref>(so Bielenberg BlGBW 1977, 142)</ref>. Dazu ist folgendes zu bemerken:

Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 23. April 1969 a.a.O. als Beispiel für das Vorliegen eines Widerspruchs angeführt, daß

"der hinzutretende Bau die vorhandene Situation mehr als nur geringfügig verschlechtert".

Ob dieses Beispiel im Zuge der nachfolgenden Handhabung des § 34 BBauG 1960 allerwärts so verstanden worden ist, wie es der Senat seinerzeitig gemeint hat, mag auf sich beruhen. Jedenfalls hat dieses Beispiel die weitere Diskussion namhaft beeinflußt. Gerade die Annahme, daß demnach geringfügige Verschlechterungen der jeweiligen Situation grundsätzlich nicht zu verhindern seien, hat den Gesetzgeber bestärkt, den § 34 BBauG 1960 zu ändern. So gesehen, trägt es in der Tat zum Verständnis des Wechsels von der "Unbedenklichkeit" zum "Einfügen" bei, über die neue Fassung zu sagen, daß sie grundsätzlich selbst geringfügige Verschlechterungen nicht mehr gestatte. Die darin liegende Einsicht ist jedoch zur Definition dessen, was als "Einfügen" anzusehen ist, ebensowenig geeignet, wie es die "geringfügige Verschlechterung" für das Erfordernis der "Unbedenklichkeit" war.

Es sind vor allem zwei Dinge, die in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden dürfen: Einseitig darauf abzuheben, ob das hinzutretende Vorhaben zu einer (materiellen) "Verschlechterung" führt, birgt die Gefahr in sich, daß gar nicht mehr nach der "Einfügung" in die konkrete Umgebung gefragt, sondern mehr oder weniger abstrakt, d.h. von dieser konkreten Umgebung abgelöst, geprüft wird, ob es sich bei dem Vorhaben um eine städtebaulich förderungswürdige Entwicklung handelt. Diese Gefahr wird besonders deutlich an dem Beispiel, daß über die Zulässigkeit eines mit Emissionen verbundenen Vorhabens zu befinden ist. Auch ein solches Vorhaben kann sich bei entsprechend beschaffener Umgebung in diese Umgebung "einfügen", obgleich sich nicht bezweifeln läßt, daß das Hinzutreten von (weiteren) Emissionen in gewisser Weise stets - also selbst in einem durch industrielle Nutzungen geprägten Gebiet - eine Verschlechterung bedeutet.

Es kommt - zweitens - hinzu, daß der Begriff der (materiellen) Verschlechterung nicht gleichsam eindimensional ist. Bauliche Entwicklungen sind aus der Sicht der öffentlichen Belange, die im § 1 Abs. 6 BBauG 1976 angeführt sind und die hier allein als Maßstäbe in Betracht kommen, häufig unterschiedlich dahin zu beurteilen, ob sie zu einer Verschlechterung führen: Eine Bebauung mit an sich unerwünschten Auswirkungen auf das Ortsbild kann mit der erwünschten Gewinnung von Arbeitsplätzen verbunden sein; eine als solche eher negative Verdichtung der Bebauung kann sozialen Bedürfnissen der Bevölkerung oder der Vermeidung einseitiger Bevölkerungsstrukturen dienen u.ä.m. Dia Beurteilung, ob sich ein neues Vorhaben sozusagen insgesamt als eine "Verschlechterung" darstellt, würde daher häufig eine planerische Abwägung zwischen den jeweils berührten öffentlichen Belangen voraussetzen und in der Sache darauf angelegt sein, die nachteilige Berührung von Belangen der einen Art gegen die Förderung von Belangen der anderen Art gleichsam aufzurechnen, also anzunehmen, daß das eine durch das andere kompensiert werde. Derartige Abwägungen von Kompensationen können jedoch nicht innerhalb einzelner Baugenehmigungsverfahren von der Baugenehmigungsbehörde vorgenommen werden; sie müssen der gemeindlichen Bauleitplanung vorbehalten bleiben. Was zur Unzulässigkeit solcher "Kompensationen" bei Anwendung des § 35 Abs. 2 und 3 BBauG 1960 im Urteil vom 16. Februar 1973 - BVerwG IV C 61.70 - BVerwGE 42,8 [14 ff.] ausgeführt worden ist, gilt entsprechend auch für § 34 BBauG alter wie neuer Fassung. Trifft das jedoch zu, dann kann in § 34 Abs. 1 BBauG 1976 das Merkmal des Einfügens auch nicht in dem Sinne als ein Verbot von "Verschlechterungen" verstanden werden, daß jeweils über eine Abwägung der berührten Belange zu ermitteln sei, ob das Vorhaben "insgesamt" als eine (materielle) Verschlechterung angesehen werden muß oder nicht. Ein Vorhaben, das - nach Maßgabe der jeweiligen Umgebung - in auch nur einer Hinsicht eine so eindeutige Verschlechterung nach sich zieht, daß es nur durch die Vornahme einer "Kompensation" zu retten wäre, ist nach § 34 Abs. 1 BBauG 1976 ohne weiteres unzulässig; seine Ausführung könnte allenfalls über eine förmliche Bauleitplanung ermöglicht werden.

Zusammenfassend ist demnach festzuhalten: Der Eintritt einer Verschlechterung der vorgegebenen Situation kann unter bestimmten Voraussetzungen, ohne daß es weiterer Überlegungen und Prüfungen bedarf, ausschließen, daß sich ein Vorhaben seiner Umgebung einfügt. Aber der Eintritt oder Nichteintritt von (materiellen) Verschlechterungen ist dem "Einfügen" nicht in der Weise zugeordnet, daß dieser Begriff mit Hilfe des Merkmals der (materiellen) "Verschlechterung" definiert werden könnte.

Der erkennende Senat meint, daß der Unterschied zwischen dem "Einfügen" (§ 34 Abs. 1 BBauG 1976) und der als Fehlen eines (bodenrechtlich relevanten) Widerspruches verstandenen Unbedenklichkeit (§ 34 BBaug 1960) in folgendem werden muß:

Auszugehen ist davon, daß sich der jeweils beachtlichen Umgebung ein Rahmen entnehmen läßt: Sind in der als Maßstab beachtlichen Umgebung Wohngebäude, Gewerbebetriebe ohne erhebliche Nachteile für die Umgebung, aber auch Gewerbebetriebe von stärker emittierender Art vorhanden, so reicht in der Art der Bebauung der Rahmen "vom 'Mischgebiet' bis zum 'Industriegebiet'"<ref>(Urteil vom 18. Oktober 1974 a.a.O. S. 118)</ref>. Sind in der als Maßstab beachtlichen Umgebung die Grundstücke mindestens zu einem Viertel, höchstens aber zur Hälfte bebaut, so reicht im Maß der Bebauung der Rahmen von der Grundflächenzahl 0,25 bis zur Grundflächenzahl 0,5. Haben die Häuser in der als Maßstab beachtlichen Umgebung zwei, drei oder vier Vollgeschosse, so schließt der Rahmen in dieser Richtung zwei bis vier Vollgeschosse ein. Liegen die bebauten Grundstücksflächen jeweils an der Straße oder bis zu 12 m von ihr entfernt, so ist damit in bezug auf die überbaubaren Grundstücksflächen der Rahmen gegeben n.s.w. Je reiner, d.h. einheitlicher, die beachtliche Umgebung ist, um so enger wird voraussetzungsgemäß der Rahmen, den sie hergibt. Daß es im Einzelfall - etwa bei Emissionen von unterschiedlicher Art und Stärke - schwieriger sein kann, den "Rahmen" zu ermitteln, als es in den genannten Beispielen der Fall ist, hebt nicht die Möglichkeit der Festlegung dieses "Rahmens" auf und ändert nichts an seiner grundsätzlichen Maßgeblichkeit.

Das Merkmal des "Einfügens" verlangt, daß das zu beurteilende Vorhaben zu dem aus seiner (maßgebenden) Umgebung ableitbaren Rahmen in bestimmter Beziehung steht. Das bedeutet:

Ein Vorhaben, das sich - in jeder Hinsicht - innerhalb des aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens hält, fügt sich in der Regel seiner Umgebung ein. Allerdings muß beachtet werden: Es ist selten so, daß die vom jeweiligen Rahmen umfaßten baulichen oder auch nichtbaulichen Nutzungen gleichmäßig über die beachtliche Umgebung verteilt sind, daß also - ausgedrückt an dem oben gewählten Beispiel mit den Geschoßzahlen - vom Baugrundstück in jeder Richtung zwei-, drei- und viergeschossige Häuser sozusagen im steten Wechsel aufeinanderfolgen. Im allgemeinen wird eine ungleichmäßige Verteilung jener Nutzungen festzustellen sein, bei der etwa die sich dem Vorhaben im Süden anschließende Bebauung innerhalb des Rahmens "höher" liegt, als es für die ihm im Norden folgende Bebauung zutrifft, oder in der für die unmittelbare Umgebung des Baugrundstücks ein anderer Akzent charakteristisch ist, als es bei der sonst noch beachtlichen Umgebung der Fall ist. Bei einer solchen Sachlage kann die Zulässigkeit eines Vorhabens nicht ohne Rücksicht darauf, daß seine unmittelbare Umgebung oder seine Umgebung in einer bestimmten (Himmels-)Richtung gesteigert schutzwürdig ist, allein daraus hergeleitet werden, daß es den insgesamt maßgebenden Rahmen nicht überschreitet. Daraus folgt: Ein Vorhaben, das sich - in jeder Hinsicht - innerhalb des aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens hält, fügt sich gleichwohl seiner Umgebung dann nicht ein, wenn das Vorhaben es an "der gebotenen Rücksichtnahme auf die sonstige", d.h. vor allem: auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene, "Bebauung" fehlen läßt<ref>(Urteil vom 18. Oktober 1974 a.a.O. S. 118)</ref>.

Die Feststellung, daß sich alle Vorhaben, die den durch ihre Umgebung gesetzten "Rahmen" einhalten, in der Regel dieser Umgebung "einfügen", erschöpft die Möglichkeiten des "Einfügens" nicht. Auch Vorhaben, die den aus ihrer Umgebung ableitbaren Rahmen überschreiten, können sich dennoch dieser Umgebung "einfügen". Bei der "Einfügung" geht es weniger um "Einheitlichkeit" als um "Harmonie". Daraus, daß ein Vorhaben in seiner Umgebung. - überhaupt oder doch in dieser oder jener Beziehung - ohne ein Vorbild ist, folgt noch nicht, daß es ihm an der ("harmonischen") Einfügung fehlt. Das Erfordernis des Einfügens schließt nicht schlechthin aus, etwas zu verwirklichen, was es in der Umgebung bisher nicht gibt. So ist es z.B. - je nach den konkreten Umständen - denkbar-, daß sich in einem bisher tatsächlich nur dem Wohnen dienenden Gebiet ein außerhalb dieses Rahmens liegendes Kurheim "einfügt"; es ist nicht ausgeschlossen, daß sich ein Bauwerk mit einer hinter der maßgebenden Umgebung zurückbleibenden Geschoßflächenzahl oder mit einem zusätzlichen halben Geschoß seiner Umgebung "einfügt"; es kann sein, daß etwa ein Jugendheim, das im Zusammenhang mit seiner besonderen Punktion einen größeren Freiplatz benötigt, hinter die in der Umgebung eingehaltene Bauflucht zurücktritt und sich dennoch der Umgebung "einfügt". Das Gebot des "Einfügens" soll nicht als starre Festlegung auf den gegebenen Rahmen allen individuellen Ideenreichtum blockieren; es zwingt nicht zur Uniformität. Das Erfordernis des "Einfügens" hindert nicht schlechthin daran, den vorgegebenen "Rahmen" zu überschreiten. Aber es hindert daran, dies in einer Weise zu tun, die - sei es schon selbst oder sei es infolge der Vorbildwirkung - "geeignet ist, ... [bodenrechtlich beachtliche und erst noch ausgleichsbedürftige] Spannungen zu begründen oder die vorhandenen Spannungen zu erhöhen"<ref>(Urteil vom 3. Juni 1977 - BVerwG IV C 37.75 - BVerwGE 54, 73 [79])</ref>. Auf diese - wenn man es so gegenüberstellen will - mehr formelle "Verschlechterung", auf das Vorliegen einer "Störung" oder "Belastung" in dieser Hinsicht<ref>(vgl. zu diesen Ausdrücken - im Zusammenhang mit § 1 BauGestVO - das Urteil vom 28. Juni 1955 - BVerwG I C 146.53 - BVerwGE 2, 172 [177])</ref> kommt es an, wenn zu entscheiden ist, ob ein den vorgegebenen Rahmen überschreitendes Vorhaben dennoch zulässig ist. In dieser Ausrichtung steht das Erfordernis des Einfügens nicht nur in Beziehung zu den in § 1 Abs. 6 BBauG 1976 angeführten öffentlichen Belangen, sondern darin liegt zugleich seine Beziehung zur Bauleitplanung: Ein Vorhaben, das im Verhältnis zu seiner Umgebung bewältigungsbedürftige Spannungen begründet oder erhöht, das - in diesem Sinne - "verschlechtert", "stört", "belastet", bringt die ihm vorgegebene Situation gleichsam in Bewegung. Es stiftet eine "Unruhe", die potentiell ein Planungsbedürfnis nach sich zieht. Soll es zugelassen werden, kann dies sachgerecht nur unter Einsatz der - jene Unruhe gewissermaßen wieder auffangenden - Mittel der Bauleitplanung geschehen. Ein Vorhaben, das um seiner Wirkung willen selbst schon planungsbedürftig ist oder doch das Bedürfnis einer Bauleitplanung nach sich sieht, fügt sich seiner Umgebung nicht ein."<ref>BVerwG, Urteil vom 26.05.1978 - IV C 9.77 Tz. 35 ff.</ref>

Nähere Umgebung

Berücksichtigt werden muß "die Umgebung ... einmal insoweit ...,

  • als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann, und zweitens
  • insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflußt.

Dabei muß zwar die Betrachtung auf das Wesentliche zurückgeführt werden, und es muß alles außer acht gelassen werden, was die 'vorhandene Bebauung' (jetzt: Umgebung) nicht prägt oder in ihr gar als Fremdkörper erscheint; aber es darf doch nicht nur diejenige Bebauung als erheblich angesehen werden, die gerade in der unmittelbaren Nachbarschaft des Baugrundstücks überwiegt, sondern es muß auch die Bebauung der weiteren Umgebung des Grundstücks insoweit berücksichtigt werden, als auch sie noch 'prägend' auf dasselbe einwirkt"<ref>(Urteil vom 18. Oktober 1974 - BVerwG IV G 77.73 - Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 45 S. 111 [114])</ref>. Daß der Wortlaut des § 34 Abs. 1 BBauG 1976 die Eigenart der "näheren" Umgebung betont, zielt nicht auf eine im Vergleich zur Auslegung des § 34 BBauG 1960 veränderte Abgrenzung, sondern hebt nur - zu Recht - hervor, daß in aller Regel die größere Nähe mit einer stärker prägenden Wirkung Hand in Hand geht.<ref>BVerwG, Urteil vom 26.05.1978 - IV C 9.77 Tz, 33</ref>

Art der baulichen Nutzung (BauGB § 34 Abs. 1 und Abs. 2)

BauNVO § 1 bis BauNVO § 15 behandeln die zulässige Art der baulichen Nutzung.

Maß der baulichen Nutzung

Wird im Flächennutzungsplan das allgemeine Maß der baulichen Nutzung dargestellt, genügt nach BauNVO § 16 Abs. 1 die Angabe der Geschoßflächenzahl, der Baumassenzahl oder der Höhe baulicher Anlagen.

Im Bebauungsplan kann das Maß der baulichen Nutzung nach BauNVO § 16 Abs. 2 bestimmt werden durch Festsetzung

  1. der Grundflächenzahl (GRZ) oder der Größe der Grundflächen (GR) der baulichen Anlagen,
  2. der Geschoßflächenzahl (GFZ) oder der Größe der Geschoßfläche (GF), der Baumassenzahl (BMZ) oder der Baumasse (BM),
  3. der Zahl der Vollgeschosse (Z),
  4. der Höhe baulicher Anlagen (H).

Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist beim Maß der baulichen Nutzung "auf diejenigen Maßkriterien abzustellen, in denen die prägende Wirkung besonders zum Ausdruck kommt. Das sind vor allem die (absolute) Grundfläche, die Anzahl der Geschosse und die Höhe des Gebäudes<ref>(BVerwG, B.v. 3.4.2014 - 4 B 12.14 - juris Rn. 3)</ref>. Der Bereich, der als nähere Umgebung im Sinne von BauGB § 34 Abs. 1 Satz 1 zu beurteilen ist, ist für jedes Merkmal des Einfügens gesondert zu ermitteln, weil die wechselseitige Prägung unterschiedlich weit reichen kann<ref>(BVerwG, B.v. 6.11.1997 - 4 B 172/97 - juris; BayVGH, B.v. 11.11.2015 - 2 CS 15.1251 - juris Rn. 11)</ref>. Als nähere Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der umliegende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks prägt oder doch beeinflusst<ref>(BVerwG, U.v. 26.5.1978 - IV C 9.77 - juris Rn. 33; B.v. 20.8.1998 - 4 B 79/98 - juris Rn. 7)</ref>. Die Grenzen sind nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation zu bestimmen<ref>(BVerwG, B.v. 28.8.2003 - 4 B 74/03 - juris 3)</ref>. Bei dem Nutzungsmaß ist der maßgebliche Bereich in der Regel enger zu begrenzen als bei der Nutzungsart; meist führt die größere Nähe zu einer stärker prägenden Wirkung<ref>(BayVGH, U.v. 18.12.2009 - 2 B 08.2154 - juris Rn. 14)</ref>. Bei der für die Prüfung erforderlichen Bestandsaufnahme ist grundsätzlich alles tatsächlich Vorhandene in den Blick zu nehmen. Die Bebauung auf dem Baugrundstück selbst gehört regelmäßig zu der den Maßstab bildenden Bebauung<ref>(BVerwG, B.v. 21.6.2007 - 4 B 8/07 - juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 31)</ref>. Grundsätzlich gelten als Bereich gegenseitiger Prägung das Straßengeviert und die gegenüberliegenden Straßenseiten<ref>(BayVGH, B.v. 27.9.2010 - 2 ZB 08.2775 - juris Rn. 4, B. v. 30.1.2013 - 2 ZB 12.198 - juris Rn. 5; U.v. 24.07.2014 - 2 B 14.1099 - juris Rn. 20)</ref>."<ref>VG München, Beschluss vom 13.05.2020 - M 29 SN 20.684 Tz. 48</ref>

Bauweise

Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden. (BauNVO § 22 Abs. 1)

Überbaubare Grundstücksfläche

Die überbaubaren Grundstücksflächen können nach BauNVO § 23 Abs. 1 durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. BauNVO § 16 Abs. 5 ist entsprechend anzuwenden.

Baulinien

Ist eine Baulinie festgesetzt, so muß nach BauNVO § 23 Abs. 2 Satz 1 auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann nach BauNVO § 23 Abs. 2 Satz 2 zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden (BauNVO § 23 Abs. 2 Satz 3).

Baugrenzen

Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen nach BauNVO § 23 Abs. 3 Satz 1 Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann nach BauNVO § 23 Abs. 3 Satz 2 zugelassen werden. BauNVO § 23 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

Bebauungstiefen

Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt nach BauNVO § 23 Abs. 4 Satz 1 BauNVO § 23 Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist (BauNVO § 23 Abs. 4 Satz 2).

Gebot der Rücksichtnahme

"Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, daß es vom Ergebnis

  • der am konkreten Einzelfall orientierten Abwägung der Schutzwürdigkeit der gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Betroffenen,
  • der Intensität der Beeinträchtigung und
  • dem, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, abhängt,

ob das Gebot der Rücksichtnahme, das in dem Begriff des Einfügens in BauGB § 34 Abs. 1 BauGB, gewahrt ist oder nicht<ref>(vgl. Urteile vom 13. März 1981 - BVerwG 4 C 1.78 - und vom 10. Oktober 1905 - BVerwG 4 C 19.82 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 44 und Nr. 66)</ref>."<ref>BVerwG, Beschluss vom 24.04.1992 - 4 B 60.92 Tz. 6</ref>

"Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Bei der Interessengewichtung spielt eine maßgebende Rolle, ob es um ein Vorhaben geht,

  • das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder
  • ob es sich - umgekehrt - um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann.

Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen ein Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position innehat<ref>(BVerwG, U.v. 6.12.1996 - 4 B 215/96 - juris Rn 8 und 9 m.w.N; U.v. 18.11.2004 - 4 C 1/04 - juris Rn. 22; U.v. 29.11.2012 - 4 C 8/11 - juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 4; B.v. 18.06.2018 - 15 ZB 17.635 - juris Rn. 33)</ref>."<ref>VG München, Beschluss vom 13.05.2020 - M 29 SN 20.684 Tz. 32</ref>

Das Gebot der Rücksichtnahme ist Bestandteil des BauGB § 34 Abs. 1; es kann in besonderen Fällen nachbarschützende Wirkung haben<ref>BVerwG, Urteil vom 13.03.1981 - 4 C 1.78 = MDR 1981, 785 Amtlicher Leitsatz 2 im Anschluß an das Urteil vom 25. Februar 1977 - BVerwG IV C 22.75 - BVerwGE 52, 122 [126]</ref>. Es geht nicht weiter als die entsprechenden Regelungen im Bundes-Immissionsschutzgesetz, es schützt allerdings auch vor Beeinträchtigungen, die nicht vom Bundes-Immissionsschutzgesetz erfaßt werden.<ref>Quelle: https://research.wolterskluwer-online.de/document/7a20d18f-82a6-4349-b375-d4aeedb1c858 - abgerufen am 09.06.2020 um 19:12 Uhr - Redaktioneller Leitsatz</ref>

Bodenrechtliche Spannungen

Überschreitet ein Bauvorhaben den Rahmen, "so stellt sich die Frage, ob dadurch Spannungen in das Gebiet getragen oder gegebene Spannungen erhöht werden, ob die gegebene Situation verschlechtert, gestört, belastet, in Bewegung gebracht wird<ref>(vgl. Urteil vom 26. Mai 1978, a.a.O.)</ref>."<ref>BVerwG, Urteil vom 19.09.1986 - 4 C 15.84 = BVerwGE 75, 34 Tz. 31</ref>

Ein Planungserfordernis im Sinne des BauGB § 1 Abs. 3 hindert für die Bebauung einer größeren Fläche im Innenbereich oder für die Verwirklichung eines größeren Vorhabens das Einfügen nicht schlechthin. "Ein Planungserfordernis hat für die Frage des Einfügens nur indizielle Bedeutung. Es geht bei der Frage, ob sich ein Vorhaben im Sinne des BauGB § 34 Abs. 1 in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, um eine konkrete Betrachtung der Beziehung des Vorhabens zu seiner Umgebung. ... Die im Urteil vom 26. Mai 1978 (a.a.O.) erwähnte indizielle Bedeutung einer Planungsbedürftigkeit des zur Genehmigung gestellten Vorhabens ist vielfach mißverstanden worden; sie ist nur eine andere Umschreibung für die aufgrund der konkreten Gegebenheiten getroffene Wertung, ein Vorhaben belaste seine Umgebung in einer Weise, wie sie aufgrund der vorhandenen Bebauung einschließlich - gleichsam als Vorbelastung - noch zu berücksichtigenden früheren Bestandes nicht zu erwarten ist. Das hat der Senat bereits im Urteil vom 18. Februar 1983<ref> - BVerwG 4 C 18.81 - (BVerwGE 67, 23 <30 f.>[BVerwG 18.02.1983 - 4 C 18/81])</ref> klargestellt; er hat insbesondere ausgeführt, daß es auf die konkreten Wirkungen eines Vorhabens in der konkreten Umgebung, in der es verwirklicht werden soll, ankomme."<ref>BVerwG, Urteil vom 19.09.1986 - 4 C 15.84 = BVerwGE 75, 34 Tz. 31</ref>

Normen

Rechtsprechung

Publikationen

Fachbücher

  • Busse/Keller, Taschenbuch für Gemeinde- und Stadträte in Bayern, Boorberg Verlag, 4. Aufl. 2014, ISBN 9783415052086 S. 173 f.

Siehe auch

Fußnoten

<references/>