Gesetzliche Ansprüche aus unerlaubter Handlung bei Mobbing

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BGB § 823 Abs. 1

"In Betracht kommt zunächst ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB ... wegen der Verletzung der Gesundheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der Anspruch setzt die Verletzung des genannten Rechts bzw. Rechtsguts durch ein eigenes Handeln, dh. durch aktives Tun oder durch Unterlassen, voraus.".<ref>BAG, Urteil vom 16.05.2007 - 8 AZR 709/06 Abs. 56</ref>

(a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein sonstiges Recht i.S.d.. § 823 Abs. 1 BGB<ref>BGH 1. Dezember 1999 - I ZR 49/97 - BGHZ 143, 214 [BGH 01.12.1999 - I ZR 49/97]; Palandt/Sprau 66. Aufl. § 823 Rn. 84</ref>. Die Gesundheit wird als Rechtsgut in § 823 Abs. 1 BGB ausdrücklich erwähnt.

(b) durch aktives Tun in seiner Gesundheit oder seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt?

(c) Verletzungshandlung durch Unterlassen?

"Insoweit ist zu prüfen, ob zum einen ein Unterlassen gebotener Maßnahmen gegen Rechts(gut)verletzungen, die von Vorgesetzten begangen wurden (Wickler AuR 2004, 87 bezeichnet dies in Abgrenzung zum Organisationsverschulden als Interventionsverschulden) vorliegt und zum anderen, ob ein Unterlassen in Form des sog. Organisationsverschuldens gegeben ist.

Da keine allgemeine Rechtspflicht, einen Dritten vor Schäden an den in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechten und Rechtsgütern zu schützen, besteht, setzt eine Haftung wegen Unterlassens der gebotenen Handlung voraus, dass eine Pflicht zum Handeln besteht und dass die Vornahme der gebotenen Handlung den Schaden hätte verhindern können. Die Pflicht zum Handeln kann dabei auf Gesetz, Vertrag oder vorangegangenem gefährlichen Tun beruhen (vgl. Staudinger/Hager (1999) § 823 Rn. H 5 ff.; Palandt/Heinrichs 66. Aufl. Vorb v § 249 Rn. 84). Ob den Arbeitgeber zur Vermeidung von Persönlichkeitsrechts- oder Gesundheitsverletzungen seiner Arbeitnehmer eine Garantenpflicht im deliktsrechtlichen Sinne trifft, die sich allein aus Vertrag ergeben kann, wird ausdrücklich nur von Rieble/Klumpp (FA 2002, 307)angesprochen. Sie meinen, die arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht könne keine deliktische Garantenpflicht begründen. Anderer Auffassung ist offenbar Wickler (AuR 2004, 87), der ohne nähere Problematisierung, ob die arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht eine deliktische Garantenstellung des Arbeitgebers erzeugen kann, offenbar davon ausgeht, die sog. Mobbing- Schutzpflicht könne zu einer Haftung des Arbeitgebers aus Delikt führen. Das Thüringer Landesarbeitsgericht (10. Juni 2004 - 1 Sa 148/01 - LAGE GG Art. 2 Persönlichkeitsrecht Nr. 8a)erörtert das Bestehen einer Garantenpflicht im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Arbeitgebers, seinen Betrieb so zu organisieren, dass Mobbing verhindert wird. Diese Pflicht entspricht jedoch mehr der unten noch zu erläuternden Organisationspflicht, nicht aber der hier in Rede stehenden Verpflichtung des Arbeitgebers, im Einzelfall einzuschreiten.

Mangels Verstoßes gegen die arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht kann das aber dahingestellt bleiben. Allerdings entspricht es der herrschenden Meinung im allgemeinen Zivilrecht, dass eine Garantenstellung durch privates Rechtsgeschäft begründet werden kann, welches die eine Partei zur Fürsorge um die Rechtsgüter der Gegenseite verpflichtet (so ausdrücklich MünchKommBGB/Wagner 4. Aufl. § 823 Rn. 237 ff.).

Das Landesarbeitsgericht ist gleichermaßen zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beklagten kein Organisationsverschulden zur Last zu legen ist.

Bei der Haftung für Organisationsverschulden handelt es sich um einen Unterfall der Haftung wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten. Der Unternehmer ist danach verpflichtet, die innerbetrieblichen Abläufe so zu organisieren, dass Schädigungen Dritter in dem gebotenen Umfang vermieden werden. Er hat also für eine "ordentliche Betriebsführung" zu sorgen (vgl. hierzu MünchKommBGB/Wagner § 823 Rn. 368 ff.).

Im Rahmen des zur sog. Mobbing-Problematik erschienenen Schrifttums wird dabei konkret die Frage erörtert, ob den Arbeitgeber eine Pflicht trifft, in seinem Betrieb Strukturen entgegenzuwirken, die Mobbing fördern (vgl. hierzu Benecke Mobbing Rn. 238 f.; dies. NZA-RR 2003, 225; Rieble/Klumpp FA 2002, 307; Wickler AuR 2004, 87; ders. DB 2002, 477; HMR-Hänsch Teil 3 Rn. 58 ff.). Wickler (a.a.O.)und Hänsch (a.a.O.)vertreten darüber hinausgehend sogar die Auffassung, wenn ein Mobbing- Sachverhalt unstreitig oder nachgewiesen sei, müsse vermutet werden, dass der Arbeitgeber seine diesbezügliche Organisations- und Schutzpflichten schuldhaft verletzt habe. Dies steht in Widerspruch zur im allgemeinen Zivilrecht entwickelten Beweislastverteilung bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten. Danach hat der Geschädigte darzulegen und zu beweisen, dass eine Verkehrspflicht verletzt wurde. Steht der objektive Verstoß gegen einer Verkehrspflicht fest, so spricht der Anscheinsbeweis für die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und der eingetretenen Rechtsgutverletzung, jedenfalls dann, wenn sich die Gefahr verwirklicht hat, vor der die Erfüllung der Verkehrspflicht schützen soll (vgl. Staudinger/Hager (1999) § 823 Rn. E 72 m.w.N.). Hiervon im Rahmen von sog. Mobbing-Prozessen abzuweichen und bereits die Organisationspflichtverletzung zu vermuten, besteht keine Veranlassung. Im Übrigen ist nicht klar, was ein "Mobbing-Sachverhalt" ist und wann er feststeht oder erwiesen ist.

Zum Inhalt der Organisationspflicht vertreten Benecke<ref>Mobbing Rn. 239</ref> und Rieble/Klumpp<ref>FA 2002, 307</ref> die Auffassung, dass die Anforderungen an diese Pflicht des Arbeitgebers mit der Folge einer deliktischen Haftung nicht überspannt werden dürfen, zumal eine generelle Aussage darüber, wie Mobbing bzw. Persönlichkeitsrechtsverletzungen in einem Betrieb verhindert werden können, kaum möglich sei.

Letztlich kann aber die Frage, ob derartige Organisationspflichten bestehen und wie weit sie reichen, im Streitfall dahinstehen, da der Kläger an keiner Stelle dargetan hat, durch welche allgemeinen organisatorischen Maßnahmen die Beklagte die von ihm behaupteten Rechts(gut)verletzungen hätte verhindern können.

(d) Schließlich kommt ein Ersatz der geltend gemachten materiellen Schäden wegen einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts - unabhängig davon, ob im Streitfall das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die Beklagte selbst oder ihre Verrichtungsgehilfen verletzt worden ist - nicht in Betracht. Der materielle Schaden fällt nicht in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. So führt auch das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (4. Oktober 2005 - 5 Sa 140/05 - PflR 2006, 416)in seiner Entscheidung ausdrücklich aus, dass die Zahlung von Verdienstausfall und Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes vom Schutzzweck des § 823 Abs. 1 BGB iVm. den Art. 1 und 2 Abs. 1 GG nicht erfasst wird.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (1. Dezember 1999 - I ZR 49/97 - BGHZ 143, 214 [BGH 01.12.1999 - I ZR 49/97])dienen das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine besonderen Erscheinungsformen in erster Linie dem Schutz ideeller Interessen, insbesondere dem Schutz des Wert- und Achtungsanspruches der Persönlichkeit. Dieser Schutz werde dadurch verwirklicht, dass bei einer Verletzung dieser Rechte neben Abwehransprüchen auch Schadensersatzansprüche in Betracht kämen, die nicht nur auf den Ersatz materieller, sondern - wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handele und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden könne - auch auf den Ausgleich immaterieller Schäden gerichtet seien. Darüber hinaus schützten das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine besonderen Ausprägungen aber auch vermögenswerte Interessen der Person. So könne der Abbildung, dem Namen sowie sonstigen Merkmalen der Persönlichkeit wie etwa der Stimme ein beträchtlicher wirtschaftlicher Wert zukommen. Durch eine unerlaubte Verwertung ihrer Persönlichkeitsmerkmale würden daher häufig weniger ideelle als kommerzielle Interessen der Betroffenen beeinträchtigt. Nach dieser Rechtsprechung kommt ein auf den Ersatz materieller Schäden gerichteter Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur dann in Betracht, wenn in dessen vermögenswerte Bestandteile eingegriffen wird. Aus ihr geht weiterhin hervor, dass der Schutz des Wert- und Achtungsanspruches der Persönlichkeit eher dem ideellen Schutzbereich zuzuordnen ist.

Soweit der Kläger vorträgt, durch die von ihm behaupteten Handlungen seiner Vorgesetzten in einem vermögenswerten Bestandteil seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts verletzt worden zu sein, macht er vielmehr fortgesetzte Angriffe auf den Wert- und Achtungsanspruch seiner Persönlichkeit geltend. Wie ausgeführt, gehört zum Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts der sog. Ehrschutz, der gegen herabsetzende, entwürdigende Äußerungen und Verhaltensweisen und die Wahrung des sozialen Geltungsanspruchs der Person gerichtet ist. Persönlichkeitsrechtsverletzungen wie sie der Kläger behauptet, betreffen aber keinen Bereich des Persönlichkeitsrechts, der Schutz vor materiellen Schäden bieten soll. Im Übrigen entspricht es ständiger, jüngst durch das Urteil vom 18. Januar 2007 (- 8 AZR 234/06 - AP BGB § 823 Nr. 17 = EzA BGB 2002 § 823 Nr. 6)nochmals bestätigter Rechtsprechung des Senats (ebenfalls 4. Juni 1998 - 8 AZR 786/96 - BAGE 89, 80 = AP BGB § 823 Nr. 7 = EzA BGB § 823 Nr. 9), dass Schäden wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes oder einer Erwerbsminderung nicht in den Schutzbereich eines Ehrschutzdelikts, das letztlich den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts konkretisiert, fallen."<ref>BAG, Urteil vom 16.05.2007 - 8 AZR 709/06 Abs. 98 ff.</ref>

BGB § 823 Abs. 2 iVm. § 75 Abs. 2 BetrVG

"Ob der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der materiellen Schäden weiterhin auf § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 75 Abs. 2 BetrVG gestützt werden kann, kann dahinstehen.

Bei der Haftung des Arbeitgebers wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers wird in der derzeitigen Diskussion um die sog. Mobbing- Problematik teilweise als Anspruchsgrundlage auch § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 75 Abs. 2 BetrVG in Betracht gezogen (HMR-Hänsch Teil 3 Rn. 60; Haller/Koch NZA 1995, 356). § 75 Abs. 2 BetrVG verpflichtet Arbeitgeber und Betriebsrat zum Schutz und zur Förderung der freien Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Allerdings ist streitig, ob die Vorschrift ein Schutzgesetz i.S.d.. § 823 Abs. 2 BGB ist."<ref>BAG, Urteil vom 16.05.2007 - 8 AZR 709/06 Abs. 112 ff.</ref>

BGB § 831

"Schließlich kann die Beklagte dem Kläger auf Ersatz der geltend gemachten materiellen Schäden aus § 831 BGB haften, wenn die von dem Kläger benannten Personen, wie Herr K, Herr Dr. S ua., als Verrichtungsgehilfen der Beklagten eine tatbestandsmäßige rechtswidrige unerlaubte Handlung in Ausführung einer Verrichtung begangen haben.

Der Schaden muss aber, um eine Haftung des Geschäftsherrn auszulösen, in Ausführung der Verrichtung und nicht nur gelegentlich zugefügt worden sein (Palandt/Sprau 66. Aufl. § 831 Rn. 9), so dass das Verhalten des Gehilfen nicht aus dem Kreis oder dem allgemeinen Rahmen der ihm anvertrauten Aufgaben herausfallen darf. Ein solcher innerer Zusammenhang wird, worauf Benecke (Mobbing Rn. 234)zutreffend hinweist, in sog. Mobbing-Fällen in der Regel vorliegen, wenn die Verletzungshandlungen durch arbeitsrechtliche Maßnahmen, z.B. durch Weisungen, erfolgen. Hierauf beruft sich der Kläger im Streitfall überwiegend."<ref>BAG, Urteil vom 16.05.2007 - 8 AZR 709/06 Abs. 115 ff.</ref>

Siehe auch

Fußnoten

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