Stromnetzkonzession: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 24. Januar 2014, 14:36 Uhr
Nach EnwG § 46 Abs. 1 Satz 1 haben Gemeinden ihre öffentlichen Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, einschließlich Fernwirkleitungen zur Netzsteuerung und Zubehör, zur unmittelbaren Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet diskriminierungsfrei durch Vertrag zur Verfügung zu stellen. Unbeschadet ihrer Verpflichtungen nach Satz 1 können die Gemeinden den Abschluss von Verträgen ablehnen, solange das Energieversorgungsunternehmen die Zahlung von Konzessionsabgaben in Höhe der Höchstsätze nach § 48 Abs. 2 verweigert und eine Einigung über die Höhe der Konzessionsabgaben noch nicht erzielt ist.(EnwG § 46 Abs. 1 Satz 2)
Verträge von Energieversorgungsunternehmen mit Gemeinden über die Nutzung öffentlicher Verkehrswege für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen, die zu einem Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet gehören, dürfen höchstens für eine Laufzeit von 20 Jahren abgeschlossen werden. Werden solche Verträge nach ihrem Ablauf nicht verlängert, so ist der bisher Nutzungsberechtigte verpflichtet, seine für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen dem neuen Energieversorgungsunternehmen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu übereignen. Das neue Energieversorgungsunternehmen kann statt der Übereignung verlangen, dass ihm der Besitz hieran eingeräumt wird. Der bisherige Nutzungsberechtigte ist verpflichtet, der Gemeinde spätestens ein Jahr vor Bekanntmachung der Gemeinde nach Absatz 3 diejenigen Informationen über die technische und wirtschaftliche Situation des Netzes zur Verfügung zu stellen, die für eine Bewertung des Netzes im Rahmen einer Bewerbung um den Abschluss eines Vertrages nach Satz 1 erforderlich sind. Die Bundesnetzagentur kann im Einvernehmen mit dem Bundeskartellamt Entscheidungen über den Umfang und das Format der zur Verfügung zu stellenden Daten durch Festlegung gegenüber den Energieversorgungsunternehmen treffen.(EnwG § 46 Abs. 2)
Die Gemeinden machen spätestens zwei Jahre vor Ablauf von Verträgen nach Absatz 2 das Vertragsende und einen ausdrücklichen Hinweis auf die nach Absatz 2 Satz 4 von der Gemeinde in geeigneter Form zu veröffentlichenden Daten sowie den Ort der Veröffentlichung durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger bekannt. Wenn im Gemeindegebiet mehr als 100 000 Kunden unmittelbar oder mittelbar an das Versorgungsnetz angeschlossen sind, hat die Bekanntmachung zusätzlich im Amtsblatt der Europäischen Union zu erfolgen. Beabsichtigen Gemeinden eine Verlängerung von Verträgen nach Absatz 2 vor Ablauf der Vertragslaufzeit, so sind die bestehenden Verträge zu beenden und die vorzeitige Beendigung sowie das Vertragsende öffentlich bekannt zu geben. Vertragsabschlüsse mit Unternehmen dürfen frühestens drei Monate nach der Bekanntgabe der vorzeitigen Beendigung erfolgen. Bei der Auswahl des Unternehmens ist die Gemeinde den Zielen des § 1 verpflichtet. Sofern sich mehrere Unternehmen bewerben, macht die Gemeinde bei Neuabschluss oder Verlängerung von Verträgen nach Absatz 2 ihre Entscheidung unter Angabe der maßgeblichen Gründe öffentlich bekannt. (EnwG § 46 Abs. 3)
Die Absätze 2 und 3 finden für Eigenbetriebe der Gemeinden entsprechende Anwendung. (EnwG § 46 Abs. 4)
Normen
- EnWG § 1 aF - Zweck des Gesetzes (vom 13. Juli 2005 bis 3. August 2011 geltende Fassung)
- EnwG § 46 aF – Wegenutzungsverträge (vom 13. Juli 2005 bis 3. August 2011 geltende Fassung)
- GWB § 20 aF - Diskriminierungsverbot, Verbot unbilliger Behinderung (bis 29. Juni 2013 geltende Fassung)
- BGB § 404 Einwendungen des Schuldners
Rechtsprechung
Bundesgerichtshof (BGH)
Bundesgerichtshof zur Vergabe von Stromnetzkonzessionen durch die Gemeinden
"Gemeinden müssen den Konzessionär für ihr Stromnetz in einem diskriminierungsfreien und transparenten Verfahren auswählen. Das gilt auch im Fall der Übertragung an einen Eigenbetrieb. Das hat der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs in zwei heute verkündeten Urteilen entschieden.
Die Parteien streiten über Ansprüche auf Übereignung der Stromversorgungsnetze in schleswig-holsteinischen Gemeinden. Aufgrund Ende 2008 bis Ende 2012 ausgelaufener Konzessionsverträge war die Beklagte in diesen Gemeinden Netzbetreiber. Ihre Bewerbung um Abschluss neuer Konzessionsverträge hatte jeweils keinen Erfolg.
Die Klägerin des Verfahrens KZR 65/12, die Stadt Heiligenhafen, entschied sich dafür, den Netzbetrieb durch einen Eigenbetrieb selbst zu übernehmen. Sie verlangt, gestützt auf § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG aF* sowie eine Regelung des abgelaufenen Konzessionsvertrags (Endschaftsbestimmung), von der Beklagten die Übereignung des örtlichen Stromversorgungs-netzes der allgemeinen Versorgung.
Im Verfahren KZR 66/12 haben die 36 Gemeinden der Ämter Sandesneben-Nusse und Berkenthin einen neuen Konzessionsvertrag mit der Klägerin abgeschlossen, bei der es sich um eine mittelbare Tochtergesellschaft dreier anderer Gemeinden handelt. Die Klägerin verlangt aus § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG aF sowie aus abgetretenem Recht der Gemeinden die Übereignung des Netzes.
Die Vorinstanzen haben die Klagen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat Ansprüche auf Übertragung des Netzes verneint, weil die Neuvergaben der Konzessionen jeweils gegen § 46 EnWG aF* und § 20 Abs. 1 GWB aF** verstießen. Die Gemeinden hätten in einer diskriminierungsfreien Vergabeentscheidung vorrangig die Ziele des § 1 EnWG aF*** und somit in erster Linie das Niveau der erreichbaren Netzentgelte sowie die Effizienz des Bewerbers berücksichtigen müssen. Erst in zweiter Linie könnten die fiskalischen Interessen der Kommune eine Rolle spielen. Die Entscheidungen der Gemeinden für eine Rekommunalisierung genügten diesen Anforderungen nicht. Dies könne die Beklagte den Übertragungsansprüchen entgegenhalten.
Der Bundesgerichtshof hat die dagegen gerichteten Revisionen zurückgewiesen.
Im Verfahren KZR 65/12 kann die Beklagte den Überlassungsansprüchen entgegenhalten, dass die Klägerin bei der Neuvergabe des Wegerechts gegen § 46 Abs. 1 EnWG verstoßen und dadurch die Beklagte im Sinne von § 20 Abs. 1 GWB aF unbillig behindert hat. Die Klägerin hat das Transparenzgebot nicht beachtet, das bei der Vergabe von Wegerechten für den Netzbetrieb aus dem Diskriminierungsverbot des § 46 Abs. 1 Satz 1 EnWG folgt. Das Transparenzgebot verlangt, dass den am Netzbetrieb interessierten Unternehmen die Entscheidungskriterien der Gemeinde und deren Gewichtung rechtzeitig vor Angebotsabgabe mitgeteilt werden. Das gilt auch dann, wenn die Gemeinde den Netzbetrieb einem Eigenbetrieb übertragen will. Gemeinden können sich in diesem Zusammenhang weder auf ein "Konzernprivileg" noch auf die Grundsätze des im Vergaberecht anerkannten "In-house-Geschäfts" berufen. Das verfassungsrechtlich geschützte kommunale Selbstverwaltungsrecht wird dadurch nicht verletzt.
Im Verfahren KZR 66/12 stehen der Klägerin keine Ansprüche auf Überlassung der Netze zu, weil sie nicht "neues Energieversorgungsunternehmen" im Sinn von § 46 Abs. 2 EnWG aF geworden ist. Voraussetzung dafür wäre jeweils ein wirksamer Konzessionsvertrag mit den Gemeinden. Die abgeschlossenen Verträge sind jedoch nach § 134 BGB nichtig, weil die Gemeinden bei ihrer Auswahlentscheidung gegen § 20 Abs. 1 GWB aF verstoßen haben. Zwar haben die Gemeinden in diesem Fall das Transparenzgebot beachtet. Die bei der Auswahlentscheidung angewandten Kriterien und ihre Gewichtung müssen aber auch inhaltlich mit dem Diskriminierungsverbot des § 46 Abs. 1 EnWG in Einklang stehen. Danach ist die Auswahl vorrangig an den Zielen des § 1 EnWG (Effizienz, Verbraucherfreundlichkeit, preisgünstige und sichere Versorgung, Umweltverträglichkeit) auszurichten. Im Übrigen bleibt der Gemeinde überlassen, sachgerechte Auswahlkriterien zu finden und zu gewichten, die einen Bezug zum Gegenstand des Konzessionsvertrags aufweisen, was eine zulässige wirtschaftliche Verwertung des Wegerechts umfasst.
Diesem Maßstab genügen die Auswahlentscheidungen zugunsten der Klägerin nicht. Zwar hat das Berufungsgericht einige Auswahlkriterien wie etwa den Gemeinderabatt oder eine Folgekostenübernahme zu Unrecht für unzulässig gehalten. Es hat jedoch zu Recht beanstandet, dass 70 von 170 bei der Angebotsbewertung höchstens erreichbaren Punkten auf Kriterien zum Geschäftsmodell entfielen, und zwar im Sinne von Möglichkeiten zur Ausgestaltung einer kommunalen Beteiligung an der Netzgesellschaft. Außerdem haben die Gemeinden die Ziele des § 1 EnWG nicht hinreichend berücksichtigt.
Die Zuwiderhandlung gegen § 20 Abs. 1 GWB aF hat die Nichtigkeit der Konzessionsverträge zur Folge, da andernfalls der vom Gesetzgeber bezweckte Wettbewerb um das Wegerecht ausgeschlossen wäre. Darauf kann sich die Beklagte berufen, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich die Klägerin auch bei einer ordnungsgemäßen Bewertung der Angebote gegenüber ihren Mitbewerbern durchgesetzt hätte.
Ansprüche der Klägerin aufgrund der ihr von den Gemeinden abgetretenen Rechte aus den vertraglichen Endschaftsbestimmungen scheitern daran, dass die Beklagte ihnen nach § 404 BGB**** entgegenhalten kann, von den Gemeinden diskriminiert (§ 46 Abs. 1 EnWG) und unbillig behindert (§ 20 Abs. 1 GWB aF) worden zu sein.
Urteil vom 17. Dezember 2013 – KZR 65/12
LG Kiel – Urteil vom 3. Februar 2012 – 14 O 83/10 Kart
OLG Schleswig – Urteil vom 22. November 2012 – 16 U (Kart) 22/12,
WuW/E DE-R 3746
und
Urteil vom 17. Dezember 2013 - KZR 66/12
LG Kiel - Urteil vom 3. Februar 2012 - 14 O 12/11 Kart, RdE 2012, 263
OLG Schleswig - Urteil vom 22. November 2012 - 16 U (Kart) 21/12,
ZNER 2013, 403
Karlsruhe, den 18. Dezember 2013"<ref>BGH, Urteil vom 17.12.2013 - KZR 65/12 und BGH, Urteil vom 17.12.2013 - KZR 66/12</ref> <ref>Quelle: BGH, Pressemitteilung Nr. 207/13 vom 18.12.2013</ref>
Fußnoten
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