Aufhebung von Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich: Unterschied zwischen den Versionen

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** "a)Verletzt  der  öffentliche  Auftraggeber  eine  Rücksichtnahmepflicht  im  vorvertragli-chen  Schuldverhältnis,  indem er  ein  Vergabeverfahren  rechtswidrig  aufhebt  (hier: ohne einen Aufhebungsgrund nach §17 Abs.1VOB/A), steht dem Bieter, auf des-sen Angebot bei Vergabe des Auftrags der Zuschlag zu erteilen gewesen wäre, ein Schadensersatzanspruch  zu.  Der  Anspruch  ist  auf  den  Ersatz  des  Schadens  ge-richtet, der dem Bieter durch die mangelnde Beachtung der für das Verfahren und seine mögliche Aufhebung maßgeblichen Vorschriften entstanden ist.
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**b)Dieser zu ersetzende Schaden besteht grundsätzlich in den Aufwendungen, die der Bieter zur Wahrnehmung seiner Chance auf einen Zuschlag vorgenommen hat und hierzu für erforderlich halten durfte. Personalkosten für die Angebotserstellung sind dabei auch ohne konkreten Nachweis des Bieters, dass er ohne diesen Aufwand durch deren Tätigkeit anderweitig Einnahmen erwirtschaftet hätte, ersatzfähig.
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**c)Ein  Anspruch  auf Ersatz  entgangenen  Gewinns  kommt  grundsätzlich  nur  dann  in Betracht, wenn das Vergabeverfahren mit einem Zuschlag abgeschlossen wird, der Zuschlag jedoch nicht demjenigen Bieter erteilt wird,  auf dessen Angebot bei Be-achtung  der  maßgeblichen  vergaberechtlichen  Vorschriften  allein  ein  Zuschlag hätte erteilt werden dürfen.
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**d)Dem  Abschluss  eines  Vergabeverfahrens  mit  dem  Zuschlag  an  einen  nicht  zu-schlagsberechtigten Bieter ist es gleichzustellen, wenn der öffentliche Auftraggeber ein  wirtschaftlich  und  wertungsmäßig  entsprechendes  Ergebnis  dadurch  herbei-führt, dass er dieAusschreibung aufhebt, ohne dass ein anerkannter Aufhebungs-grund vorliegt, und den Auftrag außerhalbeines förmlichen Vergabeverfahrens oder in  einem  weiteren  Vergabeverfahren  an  einen  Bieter  vergibt,  an  den  der  Auftrag nach  dem  Ergebnis  des  aufgehobenen Vergabeverfahrens  nicht  hätte  vergeben werden dürfen.
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**e)Voraussetzung  hierfür  ist,  dass  der  später  vergebene  Auftrag  bei  der  gebotenen wirtschaftlichen  Betrachtungsweise  das  gleiche  Vorhaben  und  den  gleichen  Auf-tragsgegenstand betrifft und die Auftragsvergabe einem Zuschlag im aufgehobenen Vergabeverfahren an einen nicht zuschlagsberechtigten Bieter gleichzustellen ist. Dies ist namentlich der Fall, wenn der öffentliche Auftraggeber das Vergabeverfah-ren nicht -im Hinblick auf die Vergabe an den Bieter mitdem annehmbarsten An-gebot-aus sachlichen und willkürfreien Gründen aufgehoben hat, sondern um den Auftrag außerhalb dieses Verfahrens an einenanderen Bieter vergeben zu können (Fortführung von BGH, Urteil vom 8.September 1998 -XZR99/96, juris Rn.35 und BGH, Beschluss vom 20.März 2014 -XZB18/13, NZBau 2014, 310 Rn.21 -FahrbahnerneuerungI)."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
 
* {{BGH X ZB 18/13}}:"Ob ein anderer schwerwiegender Grund vorliegt, der zur [[Aufhebung des Vergabeverfahrens]] berechtigt, ist aufgrund einer umfassenden, alle für die Aufhebungsentscheidung maßgeblichen Umstände berücksichtigenden Interessenabwägung zu entscheiden (Weiterführung von BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 – X ZR 150/99, NZBau 2001, 637)."<ref>Amtlicher Leitsatz 3</ref>
 
* {{BGH X ZB 18/13}}:"Ob ein anderer schwerwiegender Grund vorliegt, der zur [[Aufhebung des Vergabeverfahrens]] berechtigt, ist aufgrund einer umfassenden, alle für die Aufhebungsentscheidung maßgeblichen Umstände berücksichtigenden Interessenabwägung zu entscheiden (Weiterführung von BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 – X ZR 150/99, NZBau 2001, 637)."<ref>Amtlicher Leitsatz 3</ref>
  

Version vom 26. Februar 2021, 18:58 Uhr

Der öffentliche Auftraggeber im Oberschwellenbereich ist nach VgV § 63 Abs. 1 Satz 1 berechtigt, ein Vergabeverfahren ganz oder teilweise aufzuheben, wenn

  1. kein Angebot eingegangen ist, das den Bedingungen entspricht,
  2. sich die Grundlage des Vergabeverfahrens wesentlich geändert hat,
  3. kein wirtschaftliches Ergebnis erzielt wurde oder
  4. andere schwerwiegende Gründe bestehen.

Im Übrigen ist der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich nicht verpflichtet, den Zuschlag zu erteilen (VgV § 63 Abs. 1 Satz 2).

Der öffentliche Auftraggeber teilt den Bewerbern oder Bietern nach Aufhebung des Vergabeverfahrens unverzüglich die Gründe für seine Entscheidung mit, auf die Vergabe eines Auftrages zu verzichten oder das Verfahren erneut einzuleiten (VgV § 63 Abs. 2 Satz 1). Auf Antrag teilt er ihnen dies in Textform nach BGB § 126b mit (VgV § 63 Abs. 2 Satz 2).

Im Unterschwellenbereich ist der Auftraggeber gemäß UVgO § 48<ref>vgl. auch VOB/A § 17</ref> Abs. 1 berechtigt, ein Vergabeverfahren ganz oder teilweise aufzuheben, wenn

  1. kein Teilnahmeantrag oder Angebot eingegangen ist, das den Bedingungen entspricht,
  2. sich die Grundlage des Vergabeverfahrens wesentlich geändert hat,
  3. kein wirtschaftliches Ergebnis erzielt wurde oder
  4. andere schwerwiegende Gründe bestehen.

Im Übrigen ist der Auftraggeber grundsätzlich nicht verpflichtet, den Zuschlag zu erteilen (UVgO § 48 Abs).

Normen

Vergabeverordnung (VgV)

Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)<ref>Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer-und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte</ref>

Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A)<ref>Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen</ref>

Rechtsprechung

  • BGH, Urteil vom 08.12.2020 - XIII ZR 19/19
    • "a)Verletzt der öffentliche Auftraggeber eine Rücksichtnahmepflicht im vorvertragli-chen Schuldverhältnis, indem er ein Vergabeverfahren rechtswidrig aufhebt (hier: ohne einen Aufhebungsgrund nach §17 Abs.1VOB/A), steht dem Bieter, auf des-sen Angebot bei Vergabe des Auftrags der Zuschlag zu erteilen gewesen wäre, ein Schadensersatzanspruch zu. Der Anspruch ist auf den Ersatz des Schadens ge-richtet, der dem Bieter durch die mangelnde Beachtung der für das Verfahren und seine mögliche Aufhebung maßgeblichen Vorschriften entstanden ist.
    • b)Dieser zu ersetzende Schaden besteht grundsätzlich in den Aufwendungen, die der Bieter zur Wahrnehmung seiner Chance auf einen Zuschlag vorgenommen hat und hierzu für erforderlich halten durfte. Personalkosten für die Angebotserstellung sind dabei auch ohne konkreten Nachweis des Bieters, dass er ohne diesen Aufwand durch deren Tätigkeit anderweitig Einnahmen erwirtschaftet hätte, ersatzfähig.
    • c)Ein Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn das Vergabeverfahren mit einem Zuschlag abgeschlossen wird, der Zuschlag jedoch nicht demjenigen Bieter erteilt wird, auf dessen Angebot bei Be-achtung der maßgeblichen vergaberechtlichen Vorschriften allein ein Zuschlag hätte erteilt werden dürfen.
    • d)Dem Abschluss eines Vergabeverfahrens mit dem Zuschlag an einen nicht zu-schlagsberechtigten Bieter ist es gleichzustellen, wenn der öffentliche Auftraggeber ein wirtschaftlich und wertungsmäßig entsprechendes Ergebnis dadurch herbei-führt, dass er dieAusschreibung aufhebt, ohne dass ein anerkannter Aufhebungs-grund vorliegt, und den Auftrag außerhalbeines förmlichen Vergabeverfahrens oder in einem weiteren Vergabeverfahren an einen Bieter vergibt, an den der Auftrag nach dem Ergebnis des aufgehobenen Vergabeverfahrens nicht hätte vergeben werden dürfen.
    • e)Voraussetzung hierfür ist, dass der später vergebene Auftrag bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise das gleiche Vorhaben und den gleichen Auf-tragsgegenstand betrifft und die Auftragsvergabe einem Zuschlag im aufgehobenen Vergabeverfahren an einen nicht zuschlagsberechtigten Bieter gleichzustellen ist. Dies ist namentlich der Fall, wenn der öffentliche Auftraggeber das Vergabeverfah-ren nicht -im Hinblick auf die Vergabe an den Bieter mitdem annehmbarsten An-gebot-aus sachlichen und willkürfreien Gründen aufgehoben hat, sondern um den Auftrag außerhalb dieses Verfahrens an einenanderen Bieter vergeben zu können (Fortführung von BGH, Urteil vom 8.September 1998 -XZR99/96, juris Rn.35 und BGH, Beschluss vom 20.März 2014 -XZB18/13, NZBau 2014, 310 Rn.21 -FahrbahnerneuerungI)."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
  • BGH, Beschluss vom 20.03.2014 - X ZB 18/13:"Ob ein anderer schwerwiegender Grund vorliegt, der zur Aufhebung des Vergabeverfahrens berechtigt, ist aufgrund einer umfassenden, alle für die Aufhebungsentscheidung maßgeblichen Umstände berücksichtigenden Interessenabwägung zu entscheiden (Weiterführung von BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 – X ZR 150/99, NZBau 2001, 637)."<ref>Amtlicher Leitsatz 3</ref>

Siehe auch

Fußnoten

<references/>