Öffentlichkeit (Gemeinderatssitzung)

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Quelle: Obermain Tagblatt vom 05.03.2016, Seite 3

"Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung gehört zu den wesentlichen Verfahrensbestimmungen des Gemeinderechts. Er hat die Funktion, dem Gemeindebürger Einblick in die Tätigkeit der Vertretungskörperschaften und ihrer einzelnen Mitglieder zu ermöglichen und dadurch eine auf eigener Kenntnis und Beurteilung beruhende Grundlage für eine sachgerechte Kritik sowie eine Willensbildung zu schaffen, den Gemeinderat der allgemeinen Kontrolle der Öffentlichkeit zu unterziehen und dazu beizutragen, der unzulässigen Einwirkung persönlicher Beziehungen, Einflüsse und Interessen auf die Beschlussfassung des Gemeinderats vorzubeugen. Der Verstoß gegen das Gebot der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung begründet regelmäßig eine schwerwiegende Verfahrensrechtsverletzung und führt daher zur Rechtswidrigkeit eines Gemeinderatsbeschlusses." (BGH, Urteil vom 23.04.2015 - III ZR 195/14)

"Das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip des Grundgesetzes gebieten, die Staatswillensbildung auf sämtlichen Ebenen soweit wie möglich durchschaubar zu machen und Verfahren durch öffentlichen Einblick zu legitimieren." (Michael Pahlke)<ref>Pahlke, Die Information der Öffentlichkeit und der Medien über nichtöffentliche Gemeinderatssitzungen, BayVBl. 2014, 33 m.w.N.</ref>

Grundsatz der Öffentlichkeit

Übersicht kommunaler Kontrollinstanzen

Kommunale Kontrollinstanzen: Der BGH hat in seinem Urteil vom 23.04.2015 den Gemeindebürger als Kontrollinstanz des Stadtrats "konstituiert": "Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung gehört zu den wesentlichen Verfahrensbestimmungen des Gemeinderechts. Er hat die Funktion, dem Gemeindebürger Einblick in die Tätigkeit der Vertretungskörperschaften und ihrer einzelnen Mitglieder zu ermöglichen und dadurch eine auf eigener Kenntnis und Beurteilung beruhende Grundlage für eine sachgerechte Kritik sowie eine Willensbildung zu schaffen, den Gemeinderat der allgemeinen Kontrolle der Öffentlichkeit zu unterziehen und dazu beizutragen, der unzulässigen Einwirkung persönlicher Beziehungen, Einflüsse und Interessen auf die Beschlussfassung des Gemeinderats vorzubeugen. Der Verstoß gegen das Gebot der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung begründet regelmäßig eine schwerwiegende Verfahrensrechtsverletzung und führt daher zur Rechtswidrigkeit eines Gemeinderatsbeschlusses." (BGH, Urteil vom 23.04.2015 - III ZR 195/14)

Die gesetzliche Regelung in Bayern, GO Art. 52

Die Sitzungen sind nach GO Art. 52 Abs. 2 Satz 1 öffentlich, soweit nicht

entgegenstehen.

"Die Regelung ist Ausfluss des kommunalen Öffentlichkeitsgrundsatzes, dessen Funktion es ist, den Gemeinderat der allgemeinen Kontrolle der Öffentlichkeit zu unterziehen sowie den Bürgern Einblicke in die Tätigkeit ihrer Vertretungskörperschaft zu ermöglichen. Er soll hauptsächlich dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und der Transparenz des gemeindlichen Willensbildungsprozesses dienen."<ref>(BeckOK KommunalR Bayern/Jung, 8. Ed. 1.11.2020, GO Art. 52; LT-Drs. 2/1140, 38)</ref>."<ref>VG Ansbach, Beschluss vom 09.02.2021 - AN 4 E 21.00186, Abs. 49</ref>

Im Demokratieprinzip des Verfassungsrechts begründeter Verfahrensgrundsatz

Der Grundsatz der Öffentlichkeit gilt als tragendes Prinzip der Demokratie. Das Bundesverfassungsgericht hat für Abgeordnete entschieden:

"Öffentliches Verhandeln von Argument und Gegenargument, öffentliche Debatte und öffentliche Diskussion sind wesentliche Elemente des demokratischen Parlamentarismus. Gerade das im parlamentarischen Verfahren gewährleistete Maß an Öffentlichkeit der Auseinandersetzung und Entscheidungssuche eröffnet Möglichkeiten eines Ausgleichs widerstreitender Interessen, die bei einem weniger transparenten Vorgehen sich nicht so ergäben<ref>vgl. BVerfGE 40, 237 .jpg|left]][249]</ref>. Eine Beratung verfehlt ihren Zweck, wenn über den Beratungsgegenstand keine oder nur unzureichende Informationen zur Verfügung stehen."<ref>BVerfG, Urteil vom 14.01.1986 - 2 BvE 14/83; 2 BvE 4/84, Abs. 132</ref>

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt:

"Einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung entspricht ein Verhalten der Behörden, das in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse von Offenheit geprägt ist."<ref>BVerwG, Urteil vom 13.12.1984 - 7 C 139/81</ref>

Wenn GO Art. 52 Abs. 2 im Grundsatz "bestimmt, dass die Sitzungen des Gemeinde(Stadt-)rates öffentlich sind, so ist damit ein anerkanntermaßen fundamentaler, durchaus im Verfassungsrecht (Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip - GG Art. 20 II, III, GG Art. 28 I S. 2 begründeter Verfahrensgrundsatz festgelegt, dessen Sinn und Zweck dahin gehen, in bezug auf die Arbeit des kommunalen Vertretungsorgans gegenüber der Allgemeinheit Publizität, Information, Kontrolle und Integration zu vermitteln bzw. zu ermöglichen."<ref>OVG Saarland, Urteil vom 22.04.1993 - 1 R 35/91 = DÖV 1993, 964 f. mit Verweis auf (u.a.) Lehne, Saarl. Kommunalrecht, 2. Aufl., § 40 Anm. 1; Gramlich a.a.O.; Gönnenwein, Gemeinderecht, 1963, S. 283; Schnapp a.a.O. - insbes. S. 430 f. -; VGH Mannheim in ESVGH 41, 283, und 22, 17; VG Freiburg a.a.O; OVG Münster a.a.O.</ref>

Grundsatz der Budgetöffentlichkeit als Verfassungsgrundsatz

Aus dem allgemeinen Öffentlichkeitsprinzip der Demokratie ergibt sich auch der Grundsatz der Budgetöffentlichkeit als Verfassungsgrundsatz<ref>BVerfG, Urteil vom 14.01.1986 - 2 BvE 14/83; 2 BvE 4/84</ref>.

Verfahren

Tagesordnung

Der erste Bürgermeister bereitet die Beratungsgegenstände vor (GO Art. 46 Abs. 2 Satz 1) und setzt die Tagesordnung fest (Art. 24 Abs. 1 Satz 1 GO-BKU). Er beruft den Gemeinderat unter Angabe der Tagesordnung mit angemessener Frist ein, erstmals unverzüglich nach Beginn der Wahlzeit.

Setzt der Bürgermeister einen Tagesordnungspunkt auf den nicht-öffentlichen Teil der Sitzung, handelt es sich immer nur um einen Vorschlag, über den der Gemeinderat zu beschließen hat<ref>Pahlke, BayVBl. 2010, 357 mit Verweis auf Wachsmuth, in: Praxis der Kommunalverwaltung, Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern, Kommentar, B 1 Bay Erl. 4.3. zu Art. 52; Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern, Kommentar, 42. Erg.Lfg. Dezember 2008, Erl. 5 zu Art. 52</ref>. Über die Herstellung oder den Ausschluss der Öffentlichkeit ist nichtöffentlich zu verhandeln und mehrheitlich zu beschließen.<ref>vgl. Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen, BayVBl. 2021, 253, 254</ref> Dem Gemeinderat steht "bei der nach GO Art. 52 Abs. 2 Satz 1 zu treffenden situationsgebundenen Prognoseentscheidung ein gewisser Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu<ref>(vgl. Hölzl/Hien/Huber, GO, Stand April 2014, Art. 52 Anm. 2 u. 5; Schnapp, VerwArch 78 [1987], 407/456; Lange, a.aO., 381 f.)</ref>."<ref>BayVGH, Beschluss vom 20.04.2015 - 4 CS 15.381 = BayVBl. 2015, 630, Abs. 21</ref>

Ortsübliche Bekanntmachung der Gemeinderatssitzung

Das Merkmal "öffentlich" macht es "zunächst einmal unerlässlich, dass jedermann die Möglichkeit hat, sich ohne besondere Schwierigkeit Kenntnis von Ort und Zeit der Sitzung zu verschaffen<ref>vgl. insoweit das Bekanntmachungsgebot ... und dazu OVG Lüneburg in NVwZ 1983, 484</ref>, und dass jedermann im Rahmen der - angemessenen - tatsächlichen Gegebenheiten freier Zutritt zur Sitzung als Zuhörer eröffnet ist."<ref>vgl. u.a. BLAH a.a.O., § 169 GVG Anm. 1; Kleinknecht/Meyer, StPO, 40. Aufl., § 169 GVG Anm. 3; Maunz-Dürig, GG, Stand: Sept. 1991, Art. 42 Rdnr. 3; Gramlich a.a.O., S. 147 f.; Gönnenwein a.a.O.,</ref><ref>zitiert nach OVG Saarland, Urteil vom 22.04.1993 - 1 R 35/91 = DÖV 1993, 964 f.</ref>.

"Der Sitzungszeitraum muss so liegen, dass breite Teile aller Bevölkerungsgruppen - insbesondere auch der Berufstätigen - die zumutbare Möglichkeit haben, derart an Ratssitzungen teilzunehmen, dass sie sich ein klares Bild über die Sitzungstätigkeit des Rats verschaffen können.<ref> OVG Saarland, Urteil vom 22.04.1993 - 1 R 35/91 = DÖV 1993, 964 f.</ref>.

Zeitpunkt und Ort der Sitzungen des Stadtrats sind unter Angabe der Tagesordnung, spätestens am dritten Tag vor der Sitzung, ortsüblich bekanntzumachen. Ausnahmen bedürfen der Genehmigung des Stadtrats. (GO Art. 52 Abs. 1)

Saalöffentlichkeit (Zugang)

Die Sitzungen haben nach GO Art. 52 Abs. 4 in einem der Allgemeinheit zugänglichen Raum stattzufinden (Saalöffentlichkeit).<ref>Zum Begriff der Saalöffentlichkeit vgl. Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen, BayVBl. 2021, 253, 260, Fn. 11</ref>

§ 21 (Öffentliche Sitzungen) der Geschäftsordnung für den Stadtrat Burgkunstadt wiederholt zunächst den Grundsatz der Öffentlichkeit des GO Art. 52 Abs. 2 Satz 1 . Nach § 21 Geschäftsordnung für den Stadtrat Burgkunstadt Abs. 2 Satz 1 sind die öffentlichen Sitzungen des Stadtrats allgemein zugänglich, soweit der für Zuhörer bestimmte Raum ausreicht. Für die Medien ist stets eine angemessene Zahl von Plätzen freizuhalten (§ 21 Abs. 2 Satz 2). Ton- und Bildaufnahmen jeder Art bedürfen der Zustimmung des Vorsitzenden und des Stadtrats; sie sind auf Verlangen eines einzelnen Mitglieds hinsichtlich seiner Person zu unterlassen (§ 21 Abs. 2 Satz 3).

Medienöffentlichkeit

Nach § 21 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung für den Stadtrat Burgkunstadt ist für die Medien stets eine angemessene Zahl von Plätzen freizuhalten. Ton- und Bildaufnahmen jeder Art bedürfen der Zustimmung des oder der Vorsitzenden und des Stadtrats; sie sind auf Verlangen eines einzelnen Mitglieds hinsicht­lich seiner Person zu unterlassen (§ 21 Abs. 2 Satz 3). Ton- und Bildaufnahmen von Stadtbediensteten und sonstigen Sitzungsteilnehmern sind nur mit deren Einwilligung zulässig (§ 21 Abs. 2 Satz 4).

Ausschluss der Öffentlichkeit

Die Voraussetzungen des Ausschlusses der Öffentlichkeit sind in der Bayerischen Gemeindeordnung relativ eng gefasst. Grundsätzlich haben die Sitzungen des Gemeinderats nach GO Art. 52 Abs. 2 Satz 1 öffentlich stattzufinden. Die Öffentlichkeit darf nur ausgeschlossen werden, wenn

entgegenstehen.

"Ein Ermessensspielraum bei der Handhabung dieser Regelung besteht für die Kommunen nicht."<ref>Schreiben der Regierung von Unterfranken vom 10.03.2011 - 12-1426.00-1/1 - Öffentlichkeit von Sitzungen kommunaler Gremien; Auskunftsanspruch der Presse gegenüber den Kommunen - Seite 2</ref> Über den Ausschluss der Öffentlichkeit wird in nichtöffentlicher Sitzung beraten und entschieden - und zwar immer vom Gemeinderat (GO Art. 52 Abs. 2 Satz 2). Setzt der Bürgermeister einen Tagesordnungspunkt auf den nicht-öffentlichen Teil der Sitzung, handelt es sich immer nur um einen Vorschlag, über den der Gemeinderat zu beschließen hat<ref>Pahlke, BayVBl. 2010, 357 mit Verweis auf Wachsmuth, in: Praxis der Kommunalverwaltung, Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern, Kommentar, B 1 Bay Erl. 4.3. zu Art. 52; Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern, Kommentar, 42. Erg.Lfg. Dezember 2008, Erl. 5 zu Art. 52</ref>.

Die in nichtöffentlicher Sitzung gefaßten Beschlüsse sind der Öffentlichkeit bekanntzugeben, sobald die Gründe für die Geheimhaltung weggefallen sind. (Art. 52 Abs. 3 GO)

Wohl der Allgemeinheit

Das Wohl der Allgemeinheit kann auch in Bayern als Ausschlussgrund nur herangezogen werden, wenn wichtige staatliche oder gemeindliche Interessen berührt sind, so z.B.

Insbesondere die Befürchtung rein politischer bzw. medienwirksamer Schäden für die Gemeinde ist auch in Bayern kein Grund die Öffentlichkeit auszuschließen:

  • „Der Grundsatz der Öffentlichkeit soll gerade sicherstellen, dass unterschiedliche Gesichtspunkte und auch für das Image der Gemeinde u.U. negative Sachverhalte kontrovers vor der Öffentlichkeit diskutiert werden können. Der Wunsch, eine ruhige und harmonische Diskussion zu führen, rechtfertigt nicht den Ausschluss der Öffentlichkeit.“<ref>Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Kommentar, Art. 52 Rn. 11 mit Verweis auf Bauer/Böhle/Ecker, Art. 52 Rn. 11</ref>.
  • "Ein Ausschluss der Öffentlichkeit kann ... in keiner Weise dadurch gerechtfertigt werden, dass man sich hierdurch einen einfacheren politischen Willensbildungsprozess verspricht. Gleiches gilt in Bezug auf Befürchtungen, eine öffentliche Behandlung könnte über die Medien Schwierigkeiten für die Kommune verursachen."<ref>Schreiben der Regierung von Unterfranken vom 10.03.2011 - 12-1426.00-1/1 - Öffentlichkeit von Sitzungen kommunaler Gremien; Auskunftsanspruch der Presse gegenüber den Kommunen - Seite 2</ref>."

Berechtigte Ansprüche einzelner (Ausschluss der Öffentlichkeit)

"Berechtigte Ansprüche einzelner sind rechtlich geschützte oder anerkannte Interessen. Ein solches Interesse kann darin bestehen, zu vermeiden, dass persönliche oder wirtschaftliche Verhältnisse bekannt werden, an deren Erörterung die Allgemeinheit kein berechtigtes Interesse hat und deren Bekanntgabe für den einzelnen nachteilig sein könnte. Die einzelnen Bieter haben ein schutzwürdiges Interesse daran, dass ihr Know-how und ihre Betriebsgeheimnisse nicht bekannt und von Konkurrenten verwertet werden können. Bieter sollen auch nicht dadurch, dass sie vergleichbare Einzelheiten von Angeboten erfahren, Rückschlüsse auf die Kalkulation ihrer Konkurrenten ziehen können."<ref>Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration - Rundschreiben vom 24.09.2019 - Kommunale Auftragsvergaben; Öffentlichkeit der Sitzungen kommunaler Gremien bei Vergabeangelegenheiten und Veröffentlichung von Auftragsdaten - B3-1512-30-5 Seite 3 f.</ref>

Die Ausschlussgründe des GO Art. 52 Abs. 2 Satz 1 ebenso wie die Verschwiegenheitspflicht nach GO Art. 20 Abs. 1 stehen grundsätzlich nicht zur Disposition der jeweils Betroffenen<ref>(vgl. BayVGH B.v. 29.1.2004 – 4 ZB 03.174 – BayVBl 2004, 402/403; OVG RhPf U.v. 2.9.1986 – 7 A 7/86 – NVwZ 1988, 80)</ref><ref>BayVGH, Beschluss vom 20.04.2015 - 4 CS 15.381 = BayVBl. 2015, 630</ref>.

Die Geschäftsordnung für den Stadtrat Burgkunstadt beschreibt in § 22 Fallgruppen, die in der Regel in nichtöffentlicher Sitzung behandelt werden. Im Zweifel ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen<ref>vgl. Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen, BayVBl. 2021, 253, 261 Fn. 14</ref>

"Schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung, z.B. einer Ruf- oder Geschäftsschädigung genügt; so kann es den anerkannten Interessen des Einzelnen bereits zuwiderlaufen, wenn Dritte von der Angelegenheit erfahren können. Entscheidend ist, ob eine solche Gefahr im objektiven Sinne, d.h. nicht dem subjektiven Empfinden der Betroffenen nach besteht<ref>vgl. Prandl/Zimmermann/Büchner, Kommunalrecht in Bayern, 10.52 Rd.-Nr. 8</ref>.

Bereiche, bei denen typischerweise berechtigte Ansprüche Einzelner einer öffentlichen Behandlung entgegen stehen, sind insbesondere

Persönliche Verhältnisse

Persönliche Verhältnisse wie

  • das Einkommen,
  • die Vermögens- und Eigentumsverhältnisse,
  • die wirtschaftlichen Belastungen oder
  • die Geschäftsbeziehungen Einzelner

stehen regelmäßig als berechtigte Ansprüche einzelner einer öffentlichen Behandlung in der Gemeinderatssitzung entgegen.

Datenschutz

Zweck des Datenschutzes ist es, den Einzelnen davor zu schützen, durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt zu werden.<ref>vgl. § 1 Abs. 1 BDSG a.F.</ref>.

Personenbezogene Daten“ sind nach DSGVO Art. 4 Nr. 1 alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden „betroffene Person“) beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.

Personenbezogene Daten müssen nach DSGVO Art. 5 Abs. 1 Buchst. c) dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein ("Datenminimierung");

Zum Schutz personenbezogener Daten in nicht öffentlichen Sitzungen der kommunalen politischen Vertretung vgl. Martin Zilkens / Günter Elschner, DVBl 2002, 163-173.

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen werden etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte gezählt, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können<ref>(vgl. Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl. 2001, § 30 Rn. 13 m. w. N.; K. Schmidt, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, Kommentar zum Kartellgesetz, 3. Aufl. 2001, § 56 Rn. 12 m. w. N.)</ref>."<ref>BVerfG, Beschluss vom 14.03.2006 - 1 BvR 2087/03, 1 BvR 2111/03 Abs. 79</ref>

"Ein Interesse an der Nichtverbreitung ist dann anzuerkennen, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Konkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen<ref>(BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2009 - 7 C 18.08 - Buchholz 406.252 § 9 UIG Nr. 1 Rn. 12 f. und vom 24. September 2009 - 7 C 2.09 - BVerwGE 135, 34 Rn. 50; Beschluss vom 12. April 2013 - 20 F 6.12 - juris Rn. 12)</ref>. Damit orientiert sich die Auslegung am gewachsenen wettbewerbsrechtlichen Begriffsverständnis<ref>(BVerwG, Beschluss vom 25. Juli 2013 - 7 B 45.12 - juris Rn. 10 unter Hinweis auf BT-Drs. 15/3406 S. 20 i.V.m BT-Drs. 12/7138 S. 14)</ref>."<ref>BVerwG, Urteil vom 23.02.2017 - 7 C 31.15 = NVwZ 2017, 1775, Abs. 64</ref>

Personalangelegenheiten

Zu den in nichtöffentlicher Gemeindersatssitzung zu behandelnden Personalangelegenheiten gehören

mit konkretem Personenbezug.

Allgemeine Personalpolitik ist in öffentlicher Sitzung zu beraten<ref>vgl. Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 255 Fn. 61</ref>.

Bauplanungsangelegenheiten

Die Nennung des Grundstückseigentümers als Bauherrn im Rahmen der öffentlichen Ankündigung und Behandlung von Bauanträgen ist grundsätzlich zulässig<ref>vgl. Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253, 254</ref>.

Nicht genannt werden darf aber die vom Baugrundstück abweichende Anschrift des Bauherrn.<ref>vgl. Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253, 254 Fn. 24 mit Verweis auf BayLfD, Schreiben vom 18.11.2010 - DSB/3-622/1-4-3, FStBay 2001 Rn. 298</ref>

Nicht zulässig ist auch die Nennung der Namen der Eigentümer von Grundstücken innerhalb eines beabsichtigten Umlegungsgebiets in öffentlicher Gemeinderatssitzung. Die Auswirkungen einer Umlegung sind grundstücksbezogen und nicht personenbezogen. Die Namen der Eigentümer sind für die Voraussetzungen und die Zweckmäßigkeit einer Umlegung zunächst ohne Belang. Dementsprechend ist auch für die Öffentlichkeit regelmäßig kein anerkennenswertes Interesse ersichtlich, die Namen der Eigentümer der in einem Umlegungsgebiet liegenden Grundstücke zu erfahren.<ref>BGH, Urteil vom 23.04.2015 - III ZR 195/14 Abs. 20-23</ref> "Auf der anderen Seite haben die Eigentümer ein durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und dem daraus abgeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschütztes Recht, darüber zu entscheiden, wer die Information über ihre Eigentümerstellung erhält. Deshalb macht das Gesetz die Einsichtnahme in das Grundbuch, mit der der Rechtsverkehr typischerweise diesen Umstand in Erfahrung bringt, davon abhängig, dass ein berechtigtes Interesse dafür besteht<ref>(§ 12 Abs. 1 Satz 1 GBO; siehe dazu BGH, Beschluss vom 17. August 2011 – V ZB 47/11, NJW-RR 2011, 1651 Rn. 7; KG, RNotZ 2004, 464)</ref>. Die Bekanntgabe dieser Tatsache in öffentlicher Sitzung des Gemeinderats stellt mithin einen Eingriff in die Rechte der Eigentümer dar."<ref>BGH, Urteil vom 23.04.2015 - III ZR 195/14 Abs. 20-23</ref>

Auch Nachbareinwendungen gegen Bauvorhaben "sind grundsätzlich in öffentlicher Gemeinderatssitzung zu behandeln."<ref>BayLfD, 15. Tätigkeitsbericht (1993), LT-Drs. 12/13933, Ziffer 7.4, S. 60</ref>. "Ein generelles Geheimhaltungsinteresse der Nachbarn hinsichtlich ihrer Einwendungen zu Bauvorhaben besteht im allgemeinen nicht. Lediglich wenn ausnahmsweise Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder berechtigte Interessen einzelner einer öffentlichen Behandlung entgegenstehen, wird in nichtöffentlicher Sitzung beraten und entschieden. Im Einzelfall kann aufgrund besonderer Umstände ein solches berechtigtes Interesse der Nachkam an einer nichtöffentlichen Behandlung bestehen."<ref>BayLfD, 15. Tätigkeitsbericht (1993), LT-Drs. 12/13933, Ziffer 7.4, S. 60</ref> Zur Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit eines Kinderspielplatzes "mußten die Mitglieder des Gemeinderats über die Einwendungen des Petenten unterrichtet werden. Dabei wäre es auch zulässig gewesen, wenn der Bürgermeister in der Sitzung den Namen und die Adresse des Petenten genannt hätte, denn die volle Adresse ist in der Regel erforderlich, um beurteilen zu können, ob nachbarliche Belange berührt bzw. verletzt sein können. Es war deshalb aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, daß durch die Äußerung des Bürgermeisters in der Sitzung erkennbar war, daß der Petent Einwendungen gegen den Kinderspielplatz erhoben hatte. Wer bei der Gemeinde Einwendungen gegen ein Vorhaben erhebt, muß grundsätzlich damit rechnen, daß er zur sachgerechten Erörterung seiner Einwendungen im Gemeinderat namentlich genannt wird, er kann sich nicht hinter dem Datenschutz verstecken."<ref>BayLfD, 15. Tätigkeitsbericht (1993), LT-Drs. 12/13933, Ziffer 7.4, S. 60</ref>

Im Rahmen von Einwendungen zu einer Bauleitplanung können die Grundstücke der Einwendungsführer benannt werden, deren Namen sind aber zu anonymisieren.<ref>vgl. Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253, 254 Fn. 26 mit Verweis auf Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Kommentar, Verlag C.H. Beck, Art. 52 Rn. 12</ref>

Vergabeangelegenheiten

Grundsätzlich ist in Vergabeangelegenheiten im Einzelfall zu prüfen, ob bzw. inwieweit diese öffentlch oder nichtöffentlich zu behandeln sind, auch ob ggf. eine Aufteilung eines Tagesordnungspunktes in einen öffentlichen und einen nichtöffentlichen Teil vorzunehmen ist.<ref>Beachte die weiterführenden Quellen: grundlegend BGH, Urteil vom 23.04.2015 - III ZR 195/14; BayVGH, Urteil vom 23. März 1988 - 4 B 86.02994 = BayVBl 1989, 81; BVerwG, BayVBl 1990, 157; Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration - Rundschreiben vom 24.09.2019 - Kommunale Auftragsvergaben; Öffentlichkeit der Sitzungen kommunaler Gremien bei Vergabeangelegenheiten und Veröffentlichung von Auftragsdaten - B3-1512-30-5; Die Schreiben des Staatsministeriums des Innern vom 06.12.1994, 06.03.1995 und 12.07.2006, Nr. IB1-1413.14-1, sowie vom 01.04.1997, Nr. IB4-1512.41-02, werden durch dieses Rundschreiben ersetzt; Caroline von Bechtolsheim/Kora Betz, Kommunalrechtliches Öffentlichkeitsprinzip versus vergaberechtlichen Geheimhaltungsgrundsatz, KommJur 2006, 1-6; Geiger, Vergabe von Bauaufträgen in öffentlichen Sitzungen, BayVBl 1985, 359</ref> Um der Öffentlichkeit ein abgerundetes Bild der zur Meinungsbildung erforderlichen Information zu ermöglichen, sind die in nichtöffentlicher Sitzung behandelten Punkte ggf. in einer im Rat abgestimmten, die Rechte der Betroffenen wahrenden Zusammenfassung in die öffentliche Sitzung einzubringen (bzw. als rechtlich geprüfte anonymisierte und abstrahierte Fassung zu verlesen)<ref>vgl. Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 254 Fn. 32</ref>.

Persönliche Verhältnisse des Bieters, insb. im Rahmen der Eignungsprüfung, z.B. Bonität, Zuverlässigkeit, Kalkulation, namentliche Nennung nachplatzierter Bieter, Erstellung von Bieterlisten vor beschränkten Ausschreibungen, sind nichtöffentlich zu behandeln.<ref>Busse/Keller, Taschenbuch für Gemeinde- und Stadträte in Bayern, Boorberg Verlag, 4. Aufl. 2014, ISBN 9783415052086 S. 239 f.; Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253, 255 (3.4.5)</ref>

Oberhalb der EU-Schwellenwerte sind folgende Vorschriften zu beachten:

Im Unterschwellenbereich in Bayern sind u.a. die allgemeinen Haushaltsgrundsätze zu beachten. Nach KommHV-Kameralistik § 31 Abs. 2 bzw. KommHV-Doppik § 30 Abs. 2 sind bei der Vergabe von Aufträgen und dem Abschluß von Verträgen die vom Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen und für Heimat bekannt gegebenen Vergabegrundsätze anzuwenden:

Nach Ziffer 4 der Richtlinien zu 313 (Niederschrift über die (Er)Öffnung der Angebote) des Vergabehandbuch Bayern sind die Angebote mit allen Anlagen geheim zu halten; das gilt für alle Vergabeverfahren. Sie dürfen nur den unmittelbar mit der Bearbeitung beauftragten Personen zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch, wenn freiberuflich Tätige an der Prüfung und Wertung beteiligt sind.

Sofern eine Reindentifizierbarkeit ausgeschlossen ist, können Namen anonymisiert werden.<ref>Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 254 Fn. 29</ref>

Abgabeangelegenheiten

Einzelfallbezogene Abgabeangelegenheiten sind z.B.<ref>vgl.Friedrich Ebert Stiftung, Die (Nicht-)Öffentlichkeit der Sitzung; Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 254 Fn. 35</ref>

von Abgabeforderungen

Die Verletzung des Steuergeheimnisses kann strafrechtliche Konsequenzen haben.

Sparkassenangelegenheiten<ref>Schreiben der Regierung von Unterfranken vom 10.03.2011 - 12-1426.00-1/1 - Öffentlichkeit von Sitzungen kommunaler Gremien; Auskunftsanspruch der Presse gegenüber den Kommunen - Seite 2</ref>

Die Behandlung von „Sparkassenangelegenheiten“ in nichtöffentlicher Sitzung ist nur insoweit zulässig, als es um die Befassung mit konkreten Geschäftsvorgängen unter Offenlegung schützenswerter geschäfts- oder personenbezogener Daten oder um das operative Geschäft einer Sparkasse geht.<ref>BayVGH, Beschluss vom 19.03.2018 - 4 CE 17.2472 = BayVBl. 2018, 747, Amtlicher Leitsatz Nr. 1</ref>

"Die Erörterung der originär kommunalpolitischen Frage, in welcher Organisationsform und mit welchen (Zweckverbands-)Partnern eine Gemeinde eine Sparkasse (mit-)betreiben soll, hat dagegen in öffentlicher Sitzung zu erfolgen; ein entgegenstehender Beschluss nach Art. 52 Abs. 2 Satz 2 GO wäre rechtswidrig. Auch die für den Stadtrat der Antragsgegnerin nach GO Art. 45 beschlossene Geschäftsordnung, die in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 „in der Regel“ bei „Sparkassenangelegenheiten“ eine Behandlung in nichtöffentlicher Sitzung vorsieht, kann bei gesetzeskonformer Auslegung nur im vorgenannten Sinne verstanden werden. Gleiches gilt für die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 19. Januar 1973 zum Vollzug des Sparkassengesetzes (Nr. I B 1 – 3062 – 1 / 7, MABl 1973, 49)), nach deren Art. 4 bei der Behandlung von Sparkassenangelegenheiten in dem Vertretungsorgan des Gewährträgers ebenfalls nur „in der Regel“ die Voraussetzungen für den Ausschluss der Öffentlichkeit gegeben sind."<ref>BayVGH, Beschluss vom 19.03.2018 - 4 CE 17.2472 = BayVBl. 2018, 747, Abs. 10</ref>

Ausschluss eines Stadtratsmitglieds aus dem Stadtrat<ref>vgl. Friedrich Ebert Stiftung, Die (Nicht-)Öffentlichkeit der Sitzung</ref>

Angelegenheiten der Rechnungsprüfung<ref>so VG Gelsenkirchen, VR 1983, 393</ref> mit Ausnahme der Entlastungsentscheidung<ref>vgl. von Arnim, Gemeindehaushalt 1981, 258 ff.</ref>

Zuwendungen im Einzelfall

Über die Annahme von Zuwendungen befindet der Gemeinderat oder ein von diesem bevollmächtigter Ausschuss. Die Sitzung findet nichtöffentlich statt, wenn berechtigte Interessen Einzelner, insbesondere des Zuwendungsgebers oder des begünstigten Dritten der Öffentlichkeit entgegenstehen<ref>[https://www.realschulebayern.de/fileadmin/brn/schulleitung/kms/archiv_alt/1103328a.pdf Anlage zum IMS vom 27. Oktober 2008 - Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Spenden, Schenkungen und ähnlichen Zuwendungen für kommunale/gemeinnützige Zwecke vom Bayerischen Staatsministerium des Innern gemeinsam erarbeitet mit dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz und den kommunalen Spitzenverbänden in Bayern, Ziffer 3.3.1.]</ref>.

Geschäftsordnung für den Stadtrat Burgkunstadt

§ 21 Öffentliche Sitzungen

(1) Die Sitzungen des Stadtrats sind öffentlich, soweit nicht Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche Einzelner entgegenstehen (GO Art. 52 Abs. 2).

(2) Die öffentlichen Sitzungen des Stadtrats sind allgemein zugänglich, soweit der für die Zu­hörerschaft bestimmte Raum ausreicht. Für die Medien ist stets eine angemessene Zahl von Plätzen freizuhalten. Ton- und Bildaufnahmen jeder Art bedürfen der Zustimmung des oder der Vorsitzenden und des Stadtrats; sie sind auf Verlangen eines einzelnen Mitglieds hinsicht­lich seiner Person zu unterlassen. Ton- und Bildaufnahmen von Stadtbediensteten und sonstigen Sitzungsteilnehmern sind nur mit deren Einwilligung zulässig.

(3) Zuhörende, welche die Ordnung der Sitzung stören, können durch den Vorsitzenden oder die Vorsitzende aus dem Sitzungssaal gewiesen werden (GO Art. 53 Abs. 1).

§ 22 Nichtöffentliche Sitzungen

Nach § 22 Abs. 1 der Geschäftsordnung für den Stadtrat Burgkunstadt werden in nichtöffentlicher Sitzung in der Regel behandelt:

  1. Personalangelegenheiten in Einzelfällen,
  2. Rechtsgeschäfte in Grundstücksangelegenheiten,
  3. Angelegenheiten, die dem Sozial- oder Steuergeheimnis unterliegen.

Außerdem werden in nichtöffentlicher Sitzung behandelt:

  1. Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises, deren nichtöffentliche Behand­lung im Einzelfall von der Aufsichtsbehörde verfügt ist,
  2. sonstige Angelegenheiten, deren Geheimhaltung durch Gesetz vorgeschrieben oder nach der Natur der Sache erforderlich ist.

Zu nichtöffentlichen Sitzungen können nach § 22 Abs. 2 im Einzelfall durch Beschluss Personen, die dem Stadtrat nicht angehören, hinzugezogen werden, wenn deren Anwesenheit für die Be­handlung des jeweiligen Beratungsgegenstandes erforderlich ist. Diese Personen sollen zur Verschwiegenheit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Verpflichtungsgesetz verpflichtet werden.

Die in nichtöffentlicher Sitzung gefassten Beschlüsse gibt die erste Bürgermeisterin der Öffentlichkeit nach § 22 Abs. 3 bekannt, sobald die Gründe für die Geheimhaltung weggefallen sind (GO Art. 52 Abs. 3).

Kein Verstoß gegen das Prinzip der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung bei bloßer Einzelfrage

"Keinen Verstoß gegen das Prinzip der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung stellt es jedoch dar, wenn nur eine Einzelfrage in nichtöffentlicher Sitzung behandelt wird, die der Information der Gemeinderäte dient und nicht die Rede davon sein kann, dass die nichtöffentliche Vorberatung die in öffentlicher Sitzung zu führende Sach- und Abwägungsdiskussion ersetzt, vorweggenommen oder in sonstiger Weise der öffentlichen Wahrnehmung entzogen hat<ref>(vgl. VGH Baden- Württemberg VBlBW 2011, 393, 394)."</ref><ref>BGH, Urteil vom 23.04.2015 - III ZR 195/14 Abs. 16 a.E.</ref>

Rechtsfolgen des Verstoßes gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit

Unwirksamkeit

Unwirksamkeit von Normsetzungsbeschlüssen

Satzungen

Für den Bereich von Satzungen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof eine Ungültigkeit eines in nicht öffentlicher Sitzung gefassten Beschlusses konstatiert<ref>BayVGH, Urteil vom 26.01.2009 - 2 N 08.124 = BayVBl. 2009, 344</ref>, das Verwaltungsgericht Bayreuth hat diese Rechtsprechung jedoch schon im Bereich einer Allgemeinverfügung nicht mehr angewendet<ref>VG Bayreuth, Beschluss vom 16.02.2009 - B 2 E 08.1234</ref>. In Bayern fehlt daher bis dato im Grunde weitgehend die gerichtliche Kontrolle der Öffentlichkeit und Transparenz des kommunalen Entscheidungsbildungsprozesses. Die weitere Rechtsprechung des BayVGH bleibt jedoch abzuwarten. Möglicherweise vollzieht sich hier ein Wandel. Als einzig verbleibende Möglichkeit nach der bisher in Bayern noch vertretenen Auffassung, bei Art. 52 Abs. 2 GO handle es sich um eine bloße Ordnungsvorschrift, bleibt die Anrufung der Rechtsaufsichtsbehörde (Landratsamt) nach GO Art. 109. Diese unterliegt jedoch als Verwaltungsbehörde anderen Prämissen als ein unabhängiges Gericht.

Verordnungen

Unwirksam dürfte auch der in nichtöffentlicher Sitzung gefasste Beschluss über den Erlass einer Verordnung sein<ref>vgl. Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 257 (4.2.3.)</ref>

Normenkontrollverfahren, VwGO § 47

Innerhalb Jahresfrist kann die Unwirksamkeit im Wege des Normenkontrollverfahrens nach VwGO § 47 (vgl. auch Vorlage:AGVwGO 5) festgestellt werden. Der Ablauf der Jahresfrist wirkt jedoch nicht heilend, die Norm bleibt unwirksam und kann ggf. im Wege einer Anfechtungsklage gegen einen auf die gestützten Verwaltungsakt inzidenter von den Gerichten überprüft werden<ref>vgl. Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 257 (4.2.3.)</ref>

Popularklage

Die Unwirksamkeit von Satzungen und Verordnungen kann in Bayern auch durch "jedermann" per Popularklage geltend gemacht werden, wenn durch diese in Grundrechte eingegriffen werden.

Sonstige Fälle der Unwirksamkeit

Sofern sich der Ausschluss der Öffentlichkeit als offensichtlicher (ggf. vorsätzlicher) Rechtsverstoß darstellt, kann dies ebenfalls zur Unwirksamkeit des Beschlusses auch außerhalb von Normsetzungsverfahren führen<ref>vgl. Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 256 Fn. 116 mit Verweis auf Klaus Lange, Kommunalrecht, Mohr Siebeck, 2. Aufl. 2019, ISBN 9783161569708, Kap. 7 Rn. 222 (S. 459)</ref>. Hierbei ist ggf. die Sitzungsniederschrift zu überprüfen.<ref>vgl. Papsthart aaO.</ref>

Schwebende Unwirksamkeit

Der Umfang der Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters ist nach GO Art. 38 Abs. 1 Satz 2 auf seine Befugnisse beschränkt. Ist ein zum Abschluss eine Vertrags erforderlicher Ermächtigungsbeschluss unter Verletzung der Sitzungsöffentlichkeit zustandegekommen, handelt der Bürgermeister ohne Vertretungsmacht (GO Art. 38 Abs. 1 Satz 2). Ein von ihm geschlossener Vertrag ist dann schwebend unwirksam, kann aber nach BGB § 181 Abs. 1 durch einen die Sitzungsöffentlichkeit wahrenden Genehmigungsbeschluss "gerettet" werden.<ref>vgl. Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 257 (4.2.3.) Fn. 145</ref>. Dies gilt allerdings nicht im Falle des BayVwVfG Art. 59 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. BayVwVfG Art. 54 Satz 2, wenn die Gemeinde, anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit demjenigen schließen will, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde und der Verstoß gegen die Sitzungsöffentlichkeit den Vertragschließenden bekannt war.<ref>vgl. Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 257 (4.2.3.) Fn. 145</ref>

Rechtswidrigkeit

Die Konsequenzen aus BGH, Urteil vom 23.04.2015 - III ZR 195/14

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Anforderungen an die Beachtung der Öffentlichkeitsvorschriften in seinem Urteil vom 23.04.2015 (BGH, Urteil vom 23.04.2015 - III ZR 195/14) wie folgt verschärft:

"Der Anordnungsbeschluss des Gemeinderats kann, auch wenn es sich um einen internen Vorgang ohne Verwaltungsaktqualität handelt, grundsätzlich nur dann Grundlage eines rechtmäßigen Umlegungsbeschlusses sein, wenn die allgemein für Gemeinderatsbeschlüsse geltenden (Verfahrens-) Regelungen der jeweils anwendbaren Gemeindeordnung eingehalten sind (vgl. Kirchberg in Redeker/Uechtritz, AHB-Verwaltungsverfahren, 2. Aufl., Teil 2 C Rn. 29; s. auch Senatsurteil vom 11. Mai 1967 – III ZR 141/66, NJW 1967, 1662 zu der, soweit ersichtlich allein strittigen, Frage der Befangenheit von Ratsmitgliedern, denen im Umlegungsgebiet gelegene Grundstücke gehören, s. dazu Kirchberg aaO mwN).

...

Nichtöffentlich darf nur verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern; über Gegenstände, bei denen diese Voraussetzungen vorliegen, muss nichtöffentlich verhandelt werden. Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung gehört zu den wesentlichen Verfahrensbestimmungen des Gemeinderechts. Er hat die Funktion, dem Gemeindebürger Einblick in die Tätigkeit der Vertretungskörperschaften und ihrer einzelnen Mitglieder zu ermöglichen und dadurch eine auf eigener Kenntnis und Beurteilung beruhende Grundlage für eine sachgerechte Kritik sowie eine Willensbildung zu schaffen, den Gemeinderat der allgemeinen Kontrolle der Öffentlichkeit zu unterziehen und dazu beizutragen, der unzulässigen Einwirkung persönlicher Beziehungen, Einflüsse und Interessen auf die Beschlussfassung des Gemeinderats vorzubeugen. Der Verstoß gegen das Gebot der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung begründet regelmäßig eine schwerwiegende Verfahrensrechtsverletzung und führt daher zur Rechtswidrigkeit eines Gemeinderatsbeschlusses<ref>(vgl. VGH Baden-Württemberg, VBlBW 2013, 269, 270 mwN)</ref>. Diese Grundsätze gelten auch, wenn der zu überprüfende Beschluss zwar in öffentlicher Sitzung gefasst wurde, jedoch ohne Beratung erfolgt ist und die Sachdiskussion in einer nichtöffentlichen vorangegangenen Sitzung durchgeführt wurde. Eine solche Verfahrensweise widerspricht dem Sinn und Zweck des Gebots der Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen<ref>(vgl. VGH Baden-Württemberg, NVwZ-RR 2001, 462, 463)</ref>. Keinen Verstoß gegen das Prinzip der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung stellt es jedoch dar, wenn nur eine Einzelfrage in nichtöffentlicher Sitzung behandelt wird, die der Information der Gemeinderäte dient und nicht die Rede davon sein kann, dass die nichtöffentliche Vorberatung die in öffentlicher Sitzung zu führende Sach- und Abwägungsdiskussion ersetzt, vorweggenommen oder in sonstiger Weise der öffentlichen Wahrnehmung entzogen hat<ref>(vgl. VGH Baden- Württemberg VBlBW 2011, 393, 394)</ref>.

Nichtöffentlich muss verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern. Berechtigte Interessen Einzelner ... können rechtlich geschützte oder sonstige schutzwürdige Interessen sein. Sie erfordern den Ausschluss der Öffentlichkeit in der Gemeinderatssitzung, wenn im Verlauf einer öffentlichen Sitzung persönliche oder wirtschaftliche Verhältnisse zur Sprache kommen können, an deren Kenntnis schlechthin kein berechtigtes Interesse der Allgemeinheit bestehen kann und deren Bekanntgabe dem Einzelnen nachteilig sein könnte<ref>(VGH Baden-Württemberg, NVwZ 1992, 196, 197 f mwN; vgl. auch BVerwG, NVwZ 1995, 897)</ref>. Zutreffend geht auch das Berufungsgericht davon aus, dass im Falle einer fehlenden generellen Regelung – wie hier – die Voraussetzungen im Einzelfall festgestellt werden müssen." (Abs. 15 -17)

Durch die Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 23.04.2015 - III ZR 195/14) dürfte nunmehr auch in Bayern (wie im gesamten Bundesgebiet) eine Neubewertung der Bedeutung und Rechtsfolgen von Verstößen gegen die Sitzungsöfffentlichkeit unausweichlich sein<ref>Siehe zur abweichenden Auffassung, bei GO Art. 52 Abs. 2 handle es sich nur um eine bloße Ordnungsvorschrift aber noch Busse/Keller, Taschenbuch für Gemeinde- und Stadträte in Bayern, Boorberg Verlag, 4. Aufl. 2014, ISBN 9783415052086 S. 43</ref>.

Beanstandungspflicht des Bürgermeisters

Hält der erste Bürgermeister Entscheidungen des Gemeinderats oder seiner Ausschüsse für rechtswidrig, so hat er sie gemäß GO Art. 59 Abs. 2 (Zuständigkeit für den Gesetzesvollzug) zu beanstanden, ihren Vollzug auszusetzen und, soweit erforderlich, die Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde (GO Art. 110) herbeizuführen.

Ein Bürgermeister kann sich wegen Unterlassens strafbar machen, wenn er einen strafrechtlich relevanten Beschluss nicht beanstandet<ref>Siehe Rechtsanwalt Dr. Gert Meyer, Melsungen, Untreuehandlungen im Rahmen kommunaler Aufgabenerfüllung D.II.</ref> (s.a. Garantenstellung).

Remonstrationspflicht von Beamten

"Nach den Vorschriften des Beamtenrechts muss der Beamte seine dienstlichen Handlungen auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen. Hat er Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer Weisung, so muss er seinem unmittelbaren Vorgesetzten gegenüber remonstrieren, d. h. gegen die Ausführung der Weisung Einwände erheben. Bestätigt der unmittelbare Vorgesetzte die Anweisung und sind die Bedenken des Beamten nicht ausgeräumt, so muss sich der Beamte an den nächsthöheren Vorgesetzten wenden. Der Beamte hat hier keinen Ermessensspielraum. Bestätigt auch der nächsthöhere Vorgesetzte (der Vorgesetzte des Vorgesetzten des remonstrierenden Beamten) die Anordnung, so muss der Beamte sie ausführen. Diese Gehorsamspflicht trifft den Beamten allerdings dann nicht, wenn er durch die Befolgung der Weisung eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begehen würde."<ref>Quelle: Seite „Remonstration“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 3. November 2014, 22:20 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Remonstration&oldid=135497197 (Abgerufen: 20. Mai 2015, 09:17 UTC)</ref>

"Hält ein Mandatsträger die Behandlung einer der Verschwiegenheitspflicht nach GO Art. 20 Abs. 2 unterliegenden Angelegenheit für rechtswidrig oder sogar für strafbar, muss er sich grundsätzlich zunächst an die zuständige Kommunalaufsichts- oder Strafverfolgungsbehörde wenden und darf nicht einfach „die Flucht in die Öffentlichkeit“ antreten."<ref>BayVGH, Beschluss vom 20.04.2015 - 4 CS 15.381 = BayVBl. 2015, 630 Amtlicher Leitsatz 3</ref>

Beanstandungsrecht der Rechtsaufsichtsbehörde

Die Rechtsaufsichtsbehörde kann nach GO Art. 112 Satz 1 rechtswidrige Beschlüsse und Verfügungen der Gemeinde beanstanden und ihre Aufhebung oder Änderung verlangen. Bei Nichterfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben oder Verpflichtungen kann die Rechtsaufsichtsbehörde die Gemeinde zur Durchführung der notwendigen Maßnahmen auffordern (GO Art. 112 Satz 2).

Keine Klagebefugnis eines Gemeinderatsmitglieds wegen Verstoß gegen die Vorschriften über die Sitzungsöffentlichkeit in Bayern

Ein Stadtrat hat nach der Rechtsprechung der bayerischen Justiz - anders als etwa in Hessen<ref>Hessischer Verwaltungsgerichtshof, LKRZ 2008, 22</ref> oder Nordrhein-Westfalen<ref>Urteil vom 19.12.1978 – XV A 1031/77 -, Der Städtetag 1979, 528; NVwZ-RR 1990, 186; Urteil vom 24.2.2001 – 15 A 3021/97 -, NWVBl. 2002, 31 = NVwZ-RR 2002, 135; NWVBl 2009, 221/222; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.09.2008 - 15 A 2129/08</ref> - keinen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Herstellung der Sitzungsöffentlichkeit oder Feststellung der Rechtswidrigkeit ihres Ausschlusses, geschweige denn die Gemeindebürger<ref>BayVGH, Beschluss vom 29.09.1988 - 4 C 88.1919, Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Kommentar, Verlag C.H.Beck München, 23. ErgL, Stand Mai 2010, ISBN 9783406594984, BayVGH Fst. 1988, Rn. 322, genauso wohl VGH Mannheim, Der Städtetag 1992, 391, zitiert nach FES, Wegbeschreibung für die kommunale Praxis, Die (Nicht-)Öffentlichkeit der Sitzung</ref>.

Verwaltungsakte und Allgemeinverfügungen

Verwaltungsakte und Allgemeinverfügungen, die unter Verletzung der Sitzungsöffentlichkeit erlassen werden, sind nicht nichtig, sondern lediglich rechtswidrig.<ref>Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 257 (4.2.3.)</ref> Sie können im Wege der Rechtsaufsicht (GO Art. 112 sowie bei subjektiver Klagebefugnis im Wege der Anfechtungsklage angegegriffen werden.<ref>Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 257 (4.2.3.) Fn. 141</ref> Auch eine Rücknahme nach BayVwVfG Art. 48 wäre möglich<ref>Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 257 (4.2.3.) Fn. 141</ref>.

Plaudern aus der nichtöffentlichen Stadtratssitzung

Stadträte haben nach GO Art. 20 Abs. 2 Satz 1 über die ihnen bei ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren<ref>vgl. für Kreisräte LKrO Art. 14 Abs. 2 </ref><ref>Zur Verschwiegenheitspflicht des Bürgermeisters und der Kommunalbeamten siehe BeamtStG § 37, bei Tarifangestellten des öffentlichen Dienstes siehe TVöD-AT § 3 Abs. 1</ref>.

Das gilt nach GO Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 nicht

Sie dürfen die Kenntnis der nach Satz 1 geheimzuhaltenden Angelegenheiten nicht unbefugt verwerten.(GO Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GO)

Ehrenamtlich tätige Personen dürfen ohne Genehmigung über Angelegenheiten, über die sie Verschwiegenheit zu bewahren haben, weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben. Über die Genehmigung entscheidet der erste Bürgermeister; im Übrigen gelten BayVwVfG Art. 84 Abs. 3 und 4 (GO Art. 20 Abs. 3).

Wer den Verpflichtungen der GO Art. 20 Absätze 1, 2 oder 3 Satz 1 schuldhaft zuwiderhandelt, kann im Einzelfall mit Ordnungsgeld bis zu zweihundertfünfzig Euro, bei unbefugter Offenbarung personenbezogener Daten bis zu fünfhundert Euro, belegt werden; die Verantwortlichkeit nach anderen gesetzlichen Vorschriften bleibt unberührt. Die Haftung gegenüber der Gemeinde richtet sich nach den für den ersten Bürgermeister geltenden Vorschriften und tritt nur ein, wenn Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last liegt. Die Gemeinde stellt die Verantwortlichen von der Haftung frei, wenn sie von Dritten unmittelbar in Anspruch genommen werden und der Schaden weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verursacht worden ist. (GO Art. 20 Abs. 4)

GO Art. 20 hat drittschützenden Charakter und ist Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB<ref>siehe Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Kommentar, Verlag C.H.Beck München, 23. ErgL, Stand Mai 2010, ISBN 9783406594984 Art. 20 Rn. 1</ref>.

Die Verschwiegenheitspflicht gilt grundsätzlich auch gegenüber anderen Stadträten und Stadtbediensteten; es spielt dabei keine Rolle, dass diese selbst der Verschwiegenheit unterliegen<ref>siehe Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Kommentar, Verlag C.H.Beck München, 23. ErgL, Stand Mai 2010, ISBN 9783406594984, Art. 20 Rdnr. 3</ref>.

Der Verschwiegenheitspflicht unterliegen auch alle Angelegenheiten, die der Rat in nichtöffentlicher Sitzung berät, auch ohne zuvor die Öffentlichkeit (ausdrücklich) ausgeschlossen zu haben<ref>OVG NRW, Beschluss vom 7.4.2011 - 15 A 441/11; OVG NRW, Urteil vom 22.09.1965 - III A. 1360/63 - DÖV 1966, 504, 505</ref>.

Dazu zählen

  • die eigentliche Beratung,
  • das Abstimmungsergebnis sowie
  • wohl auch die eigene Abstimmung<ref>Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Kommentar, Verlag C.H.Beck München, 23. ErgL, Stand Mai 2010, ISBN 9783406594984 Art. 20 Rdnr. 4 mit Hinweis auf a.A. Säcker, Aktuelle Probleme der Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder, NJW 1986, 803/807</ref>

Verschwiegenheitspflicht auch bei zu Unrecht erfolgtem Ausschluss der Öffentlichkeit?

Im Beschluss des Rates, in einer Angelegenheit die Öffentlichkeit auszuschließen, sieht die Rechtsprechung zugleich den Beschluss, die Angelegenheit geheim zu halten. Auch ein zu Unrecht erfolgter Ausschluss der Öffentlichkeit kann daher grundsätzlich die Verschwiegenheitspflicht nach sich ziehen.<ref>Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Dezember 2009 15 A 2126/09 -, NWVBl. 2010, 237; VG Oldenburg, Urteil vom 29.09.2005, 2 A 68/03; anders aber *OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.06.1995 - 7 A 12186/94 - "Flucht an die Öffentlichkeit"</ref>.

Abstimmungsverhalten

Der Verschwiegenheit unterliegt auch das Abstimmungsverhalten<ref>BayVGH, Beschluss vom 29.01.2004 - 4 ZB 03.174 = BayVBl. 2004, 402 f. = BayVBl. 2004, 402 f.</ref>. Möglicherweise kann eine Ausnahme zugunsten des eigenen Abstimmungsverhaltens zu machen sein, soweit keine Rückschlüsse auf das Abstimmungsverhalten anderer Ratsmitglieder möglich sind<ref>Keilich/Brummer, Reden ist Silber, Schweigen ist Gold – Geheimhaltungspflichten auch für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat; a.A. Säcker, NJW 1986, 803, 807f</ref>

Verschwiegenheitspflicht und Recht auf Meinungsfreiheit, BVerwG, Beschluss vom 12.06.1989 - 7 B 123.88 = BayVBl. 1990, 157; NVwZ 1989, 975=

Das Bundesverwaltungsgericht hatte in seinem Beschluss vom 12.06.1989<ref>BVerwG, Beschluss vom 12.06.1989 - 7 B 123.88 = BayVBl. 1990, 157; NVwZ 1989, 975</ref> folgenden Fall zu entscheiden:

Der Kläger war ein bayerischer Gemeinderat. In nichtöffentlicher Sitzung war der geplante Abschluss eines - aus Sicht des Klägers - rechtswidrigen Stromlieferungsvertrags der beklagten Gemeinde mit einem Energieversorgungsunternehmen behandelt worden. Der Kläger hatte sich deshalb in der Presse zu dem Vorgang geäußert. Der Gemeinderat der Beklagten hatte dies als Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht gewertet und ein Ordnungsgeld verhängt. Der Kläger berief sich für seine Äußerung auf den Grundrechtsschutz der freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG).

Das Bundesverwaltungsgericht hatte bereits in einem früheren Urteil<ref>BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1971 - BVerwG 2 C 11.70</ref> der Amtsverschwiegenheit eines Beamten das Übergewicht gegenüber den in Art. 5 GG geschützten Gütern der freien Meinungsäußerung und der Wissenschaftsfreiheit eingeräumt.

Der Kläger vertrat vorliegend allerdings die Auffassung, die für einen Berufsbeamten geltende rechtliche Lage treffe auf einen ehrenamtlichen Gemeinderat nicht zu; denn der kommunale Wahlbeamte sei vor allem auch seinen Wählern gegenüber verpflichtet. Es gehe jedenfalls darum zu klären, ob der drohende Abschluss eines rechtswidrigen Vertrages geheimhaltungsbedürftig sei.

Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt entschieden:

"Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet das in Abs. 1 gewährleistete Recht, eine Meinung frei äußern und verbreiten zu dürfen, seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Darunter sind Gesetze zu verstehen, die sich nicht gegen eine bestimmte Meinung richten, sondern dem Schutz eines schlechthin ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts dienen<ref>BVerfGE 71, 206 <214>[BVerfG 03.12.1985 - 1 BvL 15/84] m.w.N.</ref>. Die den Kläger belastende Verschwiegenheitsverpflichtung des Art. 20 Abs. 2 der Bayerischen Gemeindeordnung verbietet dem ehrenamtlich tätigen Gemeindebürger, bei seiner Tätigkeit bekanntgewordene Angelegenheiten zu offenbaren; ausgenommen sind nur Mitteilungen im amtlichen Verkehr sowie Tatsachen, die offenkundig oder ihrer Bedeutung nach nicht geheimhaltungsbedürftig sind. Diese gemeinderechtliche Verschwiegenheitsverpflichtung ist, wie auf der Hand liegt, nicht gegen irgendeine Meinung als solche gerichtet; sie beruht auf "Vorschriften der allgemeinen Gesetze" im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG, so daß eine Einschränkung der Meinungsfreiheit nicht ausgeschlossen ist.
Allerdings ist die das Grundrecht der Meinungsfreiheit tangierende Regelung, die die Gemeinderatsmitglieder zur Verschwiegenheit verpflichtet, ihrerseits im Lichte des eingeschränkten Grundrechts der Meinungsfreiheit anzuwenden; sie ist aus der Erkenntnis der Bedeutung der von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Meinungsfreiheit auszulegen, so daß sie in ihrer dieses Grundrecht beschränkenden Wirkung selbst wieder einzuschränken ist<ref>BVerfGE a.a.O.</ref>. Doch auch aus dieser Sicht ist die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshof ersichtlich nicht zu beanstanden, wonach sich die Verpflichtung des Klägers zur Verschwiegenheit auf den in nichtöffentlicher Sitzung getroffenen Ratsbeschluß erstreckt, in dem die grundsätzliche Bereitschaft der Gemeinde zum Abschluß eines Energielieferungsvertrags gegenüber dem mit der Gemeinde verhandelnden Energieversorgungsunternehmen zum Ausdruck gekommen war. Angesichts der vom Verwaltungsgerichtshof gewürdigten erheblichen finanziellen und wirtschaftlichen Bedeutung des Stromlieferungsvertrags für die beklagte Gemeinde lag die Geheimhaltung dieses Umstands in deren wohlverstandenem Interesse, schon weil sie zur Wahrung der eigenen Verhandlungsposition notwendig war. Überwiegende Belange des Klägers, die dazu drängten, die Vertragsabsichten der beklagten Gemeinde in der Presse offenzulegen, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht nicht darin sehen müssen, daß das dem Gemeinderatsbeschluß zugrundeliegende Vertragsangebot eine kartellrechtswidrige Laufzeit von über zwanzig Jahren enthielt. Ein durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschütztes Interesse des Klägers, in die Öffentlichkeit zu gehen, wird vor dem Hintergrund der vom Verwaltungsgerichtshof festgestellten Sachverhaltsgestaltung auch durch diesen Umstand nicht begründet. Zum einen war die grundsätzliche Bereitschaft der beklagten Gemeinde zum Vertragsabschluß mit den Auflagen verbunden, in weiteren Verhandlungen durch die Verwaltung die Laufzeit möglichst zu reduzieren und den Vertragsentwurf durch den Bayerischen Gemeindetag überprüfen zu lassen, so daß es nach Lage der Dinge nicht ohne weiteres erforderlich gewesen wäre, die Verhandlungsinteressen der beklagten Gemeinde aufs Spiel zu setzen. Vor allem aber - und das ist ausschlaggebend - wäre der Kläger, falls ihm ein weiteres Zuwarten unvertretbar erschienen sein sollte, gehalten gewesen, die Rechtsaufsichtsbehörde mit dem Vorgang zu befassen; nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs war dem Kläger dieser mögliche Weg bewußt. Die vorherige Einschaltung der Rechtsaufsichtsbehörde wäre der die berechtigter. Interessen der Gemeinde schonendere und dem Kläger zugleich zumutbare Weg gewesen. Deshalb beruht die auf dem Vorwurf des Bruchs der Geheimhaltungspflicht gründende Verhängung eines Ordnungsgeldes auf keiner unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit des Klägers."<ref>BVerwG, Beschluss vom 12.06.1989 - 7 B 123.88 = BayVBl. 1990, 157; NVwZ 1989, 975</ref>

"Flucht an die Öffentlichkeit" als ultima ratio?

Steht das Ratsplenum im Begriff, durch die abschließende Behandlung einer Angelegenheit (hier: Abschluss eines Konzessionsvertrages mit einem Stromversorger samt Nebenverträgen mit Eigengesellschaften) in nichtöffentlicher Sitzung den Öffentlichkeitsgrundsatz zu verletzen, so kommt nach OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.06.1995 - 7 A 12186/94 für das einzelne Ratsmitglied zur Wahrung seiner demokratischen Teilhabe als "ultima ratio" die Preisgabe von Informationen an die Öffentlichkeit in Betracht.<ref>amtlicher Leitsatz</ref> Die Flucht eines Ratsmitglieds an die Öffentlichkeit ist in solchen Fällen aber nur gerechtfertigt, wenn es zuvor

  • dem an sich für die Einhaltung der genannten Grundsätze verantwortlichen Rat Gelegenheit gegeben hat, von seiner Auffassung Kenntnis zu nehmen;
  • zudem setzt die Erforderlichkeit der Aufgabe der Verschwiegenheit in der Regel voraus, dass das Ratsmitglied sich zur Wahrung der Rechtsgrundsätze zunächst an die Aufsichtsbehörde wendet.<ref>amtlicher Leitsatz OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.06.1995 - 7 A 12186/94</ref>

Der Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) konkretisiert<ref>* BayVGH, Beschluss vom 20.04.2015 - 4 CS 15.381 = BayVBl. 2015, 630 - Beurteilungsspielraum des Gemeinderates bezüglich eines Ausschlusses der Öffentlichkeit; Regelungsumfang von GemO BY 1998 Art 20 Abs 2 S 3; Remonstrationspflicht des Mandatsträgers oder Recht zur Flucht in die Öffentlichkeit - Amtliche Leitsätze: "1. Dem Gemeinderat steht bei der Prüfung der Frage, ob die Öffentlichkeit auszuschließen ist (Art. 52 Abs. 2 Satz 1 GO), ein Beurteilungsspielraum zu. 2. Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 3 GO kann nicht nur die Herausgabe körperlicher Gegenstände verlangt werden, sondern auch die Löschung elektronischer Dateien und das Unterlassen des Wiederherstellens solcher Dateien. 3. Hält ein Mandatsträger die Behandlung einer der Verschwiegenheitspflicht nach Art. 20 Abs. 2 GO unterliegenden Angelegenheit für rechtswidrig oder sogar für strafbar, muss er sich grundsätzlich zunächst an die zuständige Kommunalaufsichts- oder Strafverfolgungsbehörde wenden und darf nicht einfach „die Flucht in die Öffentlichkeit“ antreten. (Verschwiegenheitspflicht von Gemeinderatsmitgliedern; Ausschluss der Öffentlichkeit; Publizitätsverpflichtung; Geschäftsordnungsautonomie; „Flucht in die Öffentlichkeit“)</ref>:

"Soweit der Antragsteller vorträgt, aus dem Gutachten ergäben sich Hinweise auf ein früheres rechtswidriges oder sogar strafbares Verhalten bestimmter Amtsträger, rechtfertigt auch dies keine Selbstentbindung von der gesetzlich begründeten Verschwiegenheitspflicht. Die Vorschriften der Gemeindeordnung geben dem einzelnen Gemeinderatsmitglied kein Recht, eigenständig über die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen der Gemeindeorgane zu befinden<ref>vgl. BayVGH, Urteil vom 23. März 1988 - 4 B 86.02994 = BayVBl 1989, 81NVwZ 1989, 182/183</ref>. Stünde Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GO einer Offenbarung von Verwaltungsinterna nur entgegen, wenn es sich – nach der persönlichen Einschätzung des Verpflichteten – um rechtmäßige Vorgänge handelte, liefe diese Vorschrift praktisch leer, weil ihre Reichweite dann von den subjektiven Bewertungen einzelner Kommunalpolitiker abhinge. Ein Mandatsträger, der die Behandlung einer Angelegenheit für rechtswidrig oder sogar für strafbar hält, darf daher im Anwendungsbereich des Art. 20 Abs. 2 GO nicht einfach die „Flucht in die Öffentlichkeit“ antreten, sondern muss sich vorrangig an die zuständige Kommunalaufsichts- oder Strafverfolgungsbehörde wenden<ref>BayVGH a.a.O.; Prandl/Zimmermann/Büchner a.a.O., Art. 20 Rn. 4</ref>.

Dr. Marcus Dinglreiter: "Demokratische Fehlentwicklung in Bayern"

Wenn kein Ausnahmegrund vorliegt, ist die Stadtratssitzung zwingend öffentlich. Den Stadträten und ihren Fraktionen ist allerdings in Bayern selbst bei einem rechtswidrigen Beschluss zum Ausschluss der Öffentlichkeit aufgrund ihrer Verschwiegenheitspflicht weitgehend die Möglichkeit genommen, ihre Auffassung öffentlich darzustellen. Die freie Mandatsausübung wird dadurch behindert, politische Meinungsbildung, Teilhabe der Bürger an politischen Prozessen kann somit in Bayern erheblich behindert, wenn nicht sogar vereitelt werden. Der Grundsatz der freien Mandatsausübung, dessen wesentliches Element die Befugnis ist, zu jeder (öffentlichen) Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft öffentliche Überzeugungsbildung innerhalb und außerhalb der Ratsgremien zu betreiben, wird dadurch aufgehoben. Dies kann und muss als demokratische Fehlentwicklung angesehen werden.

Behandlung nichtöffentlicher Angelegenheiten in öffentlicher Sitzung

Die Behandlung einer Angelegenheit, die aufgrund des GO Art. 52 Abs. 2 in nichtöffentlicher Sitzung behandelt werden müsste, in öffentlicher Sitzung kann gravierende Folgen haben<ref>siehe Widtmann/Graser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, verlag C.H. Beck, Art. 52 Rdnr. 15 a.E. (S. 15)</ref>:

Fallgruppen

Ausschluss eines Gemeinderatsmitglieds wegen persönlicher Beteiligung

Nach GO Art. 49 Abs. 1 Satz 1 kann ein Mitglied an der Beratung und Abstimmung nicht teilnehmen, wenn der Beschluss

einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann. Gleiches gilt nach GO Art. 49 Abs. 1 Satz 2, wenn ein Mitglied in anderer als öffentlicher Eigenschaft ein Gutachten abgegeben hat.

Eine persönliche Beteiligung liegt auch dann vor, wenn das Gemeinderatsmitglied, das Mitglied eines Vertretungsorgans einer juristischen Person ist, in der zur Beschlussfassung im Gemeinderat anstehenden Sache innerhalb des Vertretungsorgans nicht oder nicht als Einzelperson zur Vertretung berufen ist<ref>vgl. Kommentar Bayerische Kommunalgesetze von Bauer/Böhle/Ecker, RdNr. 4 zu Art. 49 GO</ref>.

GO Art. 49 Absatz 1 gilt nach GO Art. 49 Abs. 2 nicht

  1. für Wahlen,
  2. für Beschlüsse, mit denen der Gemeinderat eine Person zum Mitglied eines Ausschusses bestellt oder sie zur Wahrnehmung von Interessen der Gemeinde in eine andere Einrichtung entsendet, dafür vorschlägt oder daraus abberuft.

Ob die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, entscheidet der Gemeinderat ohne Mitwirkung des persönlich Beteiligten (GO Art. 49 Abs. 3) (grundsätzlich in nichtöffentlicher Sitzung<ref>Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 256 (3.4.6.8.) Fn. 91</ref>).

Die Mitwirkung eines wegen persönlicher Beteiligung ausgeschlossenen Mitglieds hat die Ungültigkeit des Beschlusses nur zur Folge, wenn sie für das Abstimmungsergebnis entscheidend war (GO Art. 49 Abs. 4).

Bauanträge und Bauvoranfragen

Bauanträge und Bauvoranfragen werden in Bayern grundsätzlich in öffentlicher Sitzung behandelt und sind entsprechend in der Tagesordnung mit Angaben zum Bauort und Art des Bauvorhabens aufzunehmen<ref>Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Kommentar, Verlag C.H.Beck München, 23. ErgL, Stand Mai 2010, ISBN 9783406594984, Art. 52 Rn. 4</ref>.

Beschlussvorlagen

Die Beschlussvorlage unterliegt nach BayVGH nicht der Öffentlichkeit.<ref>BayVGH, BayVBl. 1980,339</ref> Ihr Fehlen stellt keinen Ladungsmangel dar und führt auch nicht zur Unwirksamkeit eines Gemeinderatsbeschlusses.<ref>Busse/Keller, Taschenbuch für Gemeinde- und Stadträte in Bayern, Boorberg Verlag, 4. Aufl. 2014, ISBN 9783415052086 S. 35</ref> Beschlussvorlagen können der Verschwiegenheitspflicht unterliegen, es sei denn, sie werden auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, etwa durch Übersendung an die Presse.<ref>Busse/Keller, Taschenbuch für Gemeinde- und Stadträte in Bayern, Boorberg Verlag, 4. Aufl. 2014, ISBN 9783415052086 S. 35</ref>

Bürgerbegehren: Verstoß gegen Datenschutz durch Verlesen der Unterschriftenlisten eines Bürgerbegehrens in öffentlicher Gemeinderatssitzung

Das Verlesen der Unterschriftenlisten eines Bürgerbegehrens in öffentlicher Gemeinderatssitzung ist eine unzulässige Datenübermittlung an die Öffentlichkeit.

Entschädigung von Ehrenbeamten

Ehrenbeamte und Ehrenbeamtinnen haben nach KWBG Art. 53 Abs. 1 Satz 1 Anspruch auf eine angemessene Entschädigung. Die Entschädigung wird monatlich im Voraus gezahlt (KWBG Art. 53 Abs. 1 Satz 2).

Ein ehrenamtlicher weiterer Bürgermeister oder eine ehrenamtliche weitere Bürgermeisterin, der gewählte Stellvertreter des Landrats oder der Landrätin und der gewählte Stellvertreter des Bezirkstagspräsidenten oder der Bezirkstagspräsidentin erhalten neben der als Gemeinderatsmitglied, als Mitglied des Kreistags oder des Bezirkstags gewährten Entschädigung nach KWBG Art. 53 Abs. 4 Satz 1 eine weitere Entschädigung nach dem Maß der besonderen Inanspruchnahme als kommunaler Wahlbeamter und kommunale Wahlbeamtin. Die Entschädigungen dürfen zusammen nicht mehr betragen als die Entschädigung oder die Summe von Grundgehalt, Familienzuschlag der Stufe 1 und Dienstaufwandsentschädigung des oder der Vertretenen (KWBG Art. 53 Abs. 4 Satz 2).

Nach herrschender Auffassung ist die Beratung über die Festsetzung der zu gewährenden Entschädigung von Ehrenbeamten (KWBG Art. 54) in nichtöffentlicher Gemeinderatssitzung vorzunehmen<ref>Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 255 Fn. 60 mit Verweis auf Hans Hümmer / Benjamin Wallner, Kommunale Wahlbeamte / Kommunales Ehrenamt in Bayern, Loseblattwerk mit Aktualisierungen, 2018, Loseblatt, Kommentar, Carl Link Verlag, ISBN 9783556030301, Erl. 11.53/6.4. i.V.m. Erl. 11.54/2.1 zu Art. 53 bzw. 54 KWBG; a.A. Christian von Coelln, (Original-)Referendarexamensklausur - Öffentliches Recht: Streit um die Entschädigung des Bürgermeisters, JuS 2008, 351, 354</ref>

Ehrenbürgerrecht

Die Gemeinden können Persönlichkeiten, die sich um sie besonders verdient gemacht haben, gemäß GO Art. 16 Abs. 1 zu Ehrenbürgern ernennen.

Die Gemeinden können die Ernennung zu Ehrenbürgern wegen unwürdigen Verhaltens widerrufen; der Beschluß bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der stimmberechtigten Mitglieder des Gemeinderats (GO Art. 16 Abs. 2).

Papsthart<ref>Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 256</ref> schlägt eine zweistufige Behandlung in Bezug auf die Sitzungsöffentlichkeit vor: Nichtöffentlich ist in einem ersten Schritt die "Würdigkeit der betreffenden Person" zu erörtern; wird die Person für würdig befunden, ist die Angelegenheit unter summarischer Zusammenfassung der nichtöffentlichen Beratung öffentlich zu beschließen.<ref>Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 256</ref>

Freiwilliger Ehrensold

Nach herrschender Auffassung ist die Beratung über die Festsetzung eines freiwilligen Ehrensoldes (KWBG Art. 59 Abs. 2) in nichtöffentlicher Gemeinderatssitzung vorzunehmen.<ref>Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 255 (3.6.4.1.)</ref>

Grundstücksvergaben

"In den Fällen, in denen die Prüfung ergibt, dass mangels Vorliegen eines Bauauf­trags bzw. einer Baukonzession kein Vergaberecht anzuwenden ist, sollte auch bei reinen Grundstücksgeschäften schon aus haushaltsrechtlichen Überlegungen ein angemessener Grad von Öffentlichkeit und aus Gründen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ein diskriminierungsfreies Vorgehen sichergestellt werden. Dies empfiehlt sich auch, da nicht auszuschließen ist, dass der EuGH aus den Grund­freiheiten des EG-Vertrags konkrete Anforderungen an Grundstücksgeschäfte ab­leiten könnte; hierzu gibt es derzeit keine Rechtsprechung."<ref>Quelle: Anwendung des Vergaberechts bei kommunalen Grundstücksgeschäften Handreichung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 20.12.2010 zur Prüfung des Auftragsbegriffes nach § 99 Abs. 3 bzw. Abs. 6 GWB unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 25.03.2010, C-451/08, Seite 1</ref>

Der Gemeinderat sollte generelle Kriterien für die kommunale Grundstücksvergabe entwickeln und beschließen. Diese sind in öffentlicher Sitzung zu behandeln.<ref>Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 254 Fn. 37 mit Verweis auf Alfred Katz, Öffentlichkeit versus Nichtöffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen, NVwZ 2020, 1076, 1078 f. (IV.2.)</ref> Die Kaufvertragsparteien sind in der Öffentlichkeit zu anonymisieren (Datenminimierung).<ref>Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 254 Fn. 41</ref>

Haushalt

Grundsatz der Budgetöffentlichkeit

Aus dem allgemeinen Öffentlichkeitsprinzip der Demokratie ergibt sich auch der Grundsatz der Budgetöffentlichkeit als Verfassungsgrundsatz<ref>BVerfG, Urteil vom 14.01.1986 - 2 BvE 14/83; 2 BvE 4/84</ref>.

Erlass der Haushaltssatzung

Der Gemeinderat beschließt über die Haushaltssatzung samt ihren Anlagen in öffentlicher Sitzung (GO Art. 65 Abs. 1).

Im Umkehrschluss wird in der Praxis hier und da die Möglichkeit nichtöffentlicher Vorberatungen behauptet. Eine generelle nichtöffentliche Vorberatung im Stadtrat verstößt jedoch gegen GO Art. 52 Abs. 2<ref>So auch Hanns Seidel Stiftung, Kommunalpolitischer Leitfaden, Band 3, Grundlagen kommunaler Haushaltsführung, München 2009 Seite 52 f.</ref>, anderes gilt lediglich für die "Vorbereitungen" in den Ausschüssen. Nichtöffentlich können allerdings einzelne Teile der Haushaltsberatungen zu führen sein, etwa wenn es um den Stellenplan oder Grundstücksangelegenheiten<ref>Siehe aber BGH, Urteil vom 23.04.2015 - III ZR 195/14, der Grundstücksangelegenheiten im Gegensatz zur Benennung der Grundstückseigentümer als grundsätzlich öffentlich wertet.</ref> geht, möglicherweise auch Zuschussfragen<ref>siehe Hanns Seidel Stiftung, Kommunalpolitischer Leitfaden, Band 3, Grundlagen kommunaler Haushaltsführung, München 2009 Seite 52 f.</ref>.

Die Haushaltssatzung ist mit ihren Anlagen<ref>Haushaltsplan</ref> spätestens einen Monat vor Beginn des Haushaltsjahres der Rechtsaufsichtsbehörde vorzulegen. (GO Art. 65 Abs. 2)

Haushaltssatzungen mit genehmigungspflichtigen Bestandteilen<ref>Genehmigungsvorbehalte:

  • Kreditaufnahmen für Investititionen und Investitionsförderungsmaßnahmen, GO Art. 72 Abs. 2
  • Verpflichtungsermächtigungen, wenn in den Jahren, zu deren Lasten sie geplant sind, die Gemeinde im Finanzplan Kreditaufnahmen vorsieht, GO Art. 67 Abs. 4</ref>sind sogleich nach der Genehmigung amtlich bekanntzumachen (GO Art. 65 Abs. 3 Satz 1). Haushaltssatzungen ohne solche Bestandteile sind frühestens einen Monat nach der Vorlage an die Rechtsaufsichtsbehörde amtlich bekanntzumachen, sofern nicht die Rechtsaufsichtsbehörde die Satzung beanstandet (GO Art. 65 Abs. 3 Satz 2). Gleichzeitig ist die Haushaltssatzung samt ihren Anlagen bis zur nächsten amtlichen Bekanntmachung einer Haushaltssatzung öffentlich zugänglich zu machen; darauf ist in der amtlichen Bekanntmachung der Haushaltssatzung hinzuweisen. (GO Art. 65 Abs. 3 Satz 3)

Jugendhilfeausschuss

Seine Sitzungen sind nach SGB VIII § 71 Abs. 4 Satz 4 öffentlich, soweit nicht das Wohl der Allgemeinheit, berechtigte Interessen einzelner Personen oder schutzbedürftiger Gruppen entgegenstehen.

Niederschriften über öffentliche Sitzungen des Gemeinderats

Ordnungsgewalt

Der Vorsitzende handhabt die Ordnung und übt das Hausrecht aus. Er ist berechtigt, Zuhörer, welche die Ordnung stören, entfernen zu lassen. Er kann mit Zustimmung des Gemeinderats Mitglieder, welche die Ordnung fortgesetzt erheblich stören, von der Sitzung ausschließen. (GO Art. 53 Abs. 1 ).

Bei allen Maßnahmen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.<ref>Franz Dirnberger / Andrea Gehler / Emil Schneider / Roland Wölfel, Praxiswissen für Kommunalpolitiker - Erfolgreich handeln als Gemeinde-, Stadt-, Kreis- und Bezirksrat, Jehle Verlag, 4. Auflage 2014, ISBN 9783782505475 Teil 3 Pos. 5367 (Ziffer 3.3.9)</ref>

Im Einzelfall ist zu prüfen, ob eine Erörterung nichtöffentlich zu erfolgen hat.<ref>vgl. Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 256 (3.4.6.8) Fn. 92</ref>

Rechnungsprüfungsausschuss

Nach Auffassug von Voringer<ref>Voringer, Rechnungsprüfung der Kommunen in Bayern: Rechte und Pflichten kommunaler Mandatsträger auf der Grundlage der Bayerischen Gemeindeordnung, 2. Aufl. 2009, Boorberg Verlag Stuttgart, ISBN 9783415041899, S. 39</ref> sind die Grundsätze des GO Art. 52 Abs. 2 auf Sitzungen des Rechnungsprüfungsauschusses wegen der Eigenart der Prüfungen in einem internen Verfahren nicht anwendbar<ref>Voringer, Rechnungsprüfung der Kommunen in Bayern: Rechte und Pflichten kommunaler Mandatsträger auf der Grundlage der Bayerischen Gemeindeordnung, 2. Aufl. 2009, Boorberg Verlag Stuttgart, ISBN 9783415041899, S. 36</ref>.

Siehe auch

Rechtsstreitigkeiten

Die Beratung über das prozesstaktische Vorgehen in einem von der Gemeinde geführten Rechtsstreit muss nichtöffentlich erfolgen<ref>OVG NRW, Urteil vom 24. April 2001 - 15 A 3021/97 -, NWVBl. 2002, 31</ref>.<ref>OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.09.2008 - 15 A 2129/08, Abs. 22</ref>

Sitzungsbeginn während der Arbeitszeit

Das OVG Saarland hatte sich mit einem Fall auseinanderzusetzen, bei welchem ein Sitzungsbeginn werktags ab 16.15 Uhr moniert wurde. Nach Ansicht de OVG Saarbrücken (noch) kein Verstoß gegen Öffentlichkeitsgrundsatz, wobei eine noch frühere Uhrzeit wohl zu einem Verstoß führen könnte:

"Der Sitzungszeitraum muss so liegen, daß breite Teile aller Bevölkerungsgruppen - insbesondere auch der Berufstätigen - die zumutbare Möglichkeit haben, derart an Ratssitzungen teilzunehmen, dass sie sich ein klares Bild über die Sitzungstätigkeit des Rats verschaffen können."<ref>s.a. Gramlich in DÖV 1982, 139</ref>.

Ton- und Bildaufzeichnungen privater Rundfunkveranstalter

Das OVG Saarland hatte über den Antrag einer privaten Rundfunkveranstalterin, die öffentlichen Sitzungen eines Stadt- oder Gemeinderates in Ton und Bild zum Zwecke der Rundfunkberichterstattung aufzeichnen zu dürfen, zu entscheiden. Amtliche Leitsätze:

"1) Das einer privaten Rundfunkveranstalterin zustehende Grundrecht der Rundfunkfreiheit, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, räumt ihr aller Voraussicht nach keinen gebundenen Anspruch darauf ein, die öffentlichen Sitzungen eines Stadt- oder Gemeinderates generell mittels Videoaufzeichnung zum ausschließlichen Zwecke der Berichterstattung aufzeichnen zu dürfen. Allerdings steht ihr ein Anspruch darauf zu, dass über ihren Antrag ermessensfehlerfrei entschieden wird.
2) Der gesetzlichen Anordnung der Öffentlichkeit von Sitzungen oder Verhandlungen von Staats- oder Verfassungsorganen genügt grundsätzlich die Herstellung einer Saalöffentlichkeit, bei der auch Vertreter der Medien die Befugnis haben, zuzusehen, zuzuhören und die so aufgenommenen Informationen mit Hilfe der Presse, des Rundfunks oder anderer elektronischer Medien zu ver-breiten. Sie erfordert nicht zwingend auch die Herstellung einer Medienöffentlichkeit in dem Sinne, dass den Medienvertretern daneben auch der medienspezifische Einsatz von Aufnahme- und Übertragungsgeräten mit dem Ziel der entsprechenden Verbreitung der Aufnahmen gestattet ist.
3) Das Grundrecht der Antragstellerin auf Gewährleistung der Rundfunkfreiheit findet seine Grenze in der rechtmäßigen Ausübung der Sitzungsgewalt des Ratsvorsitzenden aus § 43 Abs. 1 KSVG.
4) § 43 Abs. 1 KSVG ist aller Voraussicht nach auch im Lichte der besonderen Bedeutung des Grundrechts der Rundfunkfreiheit und unter Wahrung des besonderen Wertgehalts der Rundfunkfreiheit in der Weise auszulegen, dass von dieser Vorschrift das Recht des Ratsvorsitzenden umfasst ist, eine Zulassung der Medienöffentlichkeit zu verweigern.
5) Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Abwägung im Rahmen des § 43 KSVG kann allerdings nur ein konkurrierendes Rechtsgut von erheblichem Gewicht den Ausschluss einer über die Saalöffentlichkeit hinausgehenden Medienöffentlichkeit rechtfertigen. Mit einem solchen Gewicht kann dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit voraussichtlich nur das öffentliche Interesse an der - von Wirkungen der Medienöffentlichkeit unbeeinflussten - Funktionsfähigkeit des Gemeinderates entgegen gehalten werden. Gleiches gilt nicht auch für Persönlichkeits- oder Mitgliedschaftsrechte der einzelnen Ratsmitglieder.
6) Die Auffassung, ein Ratsvorsitzender sei an der Zulassung der Medienöffentlichkeit bereits durch den Widerspruch eines einzelnen Ratsmitglieds, das sich auf subjektive (Persönlickeits- oder Mitgliedschafts-)Rechte beruft, gehindert und er bedürfe für eine solche Zulassung auch aus Gründen des Datenschutzes eines einstimmigen Ratsbeschlusses, steht nicht im Einklang mit der im Hinblick auf das Grundrecht der Rundfunkfreiheit verfassungsrechtlich gebotenen Auslegung des § 43 Abs.1 KSVG und der daran orientierten Ausübung der Sitzungsgewalt.<ref>OVG Saarland, Beschluss vom 30.08.2010 - 3 B 2031/10 Amtliche Leitsätze</ref>

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Vorkaufsrecht

Die Ausübung des Vorkaufsrechts gemäß BauGB § 24 fällt nicht in die Zuständigkeit des ersten Bürgermeisters<ref>VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.06.1980 - III 503/79, Abs. 18</ref>.

Der VGH Baden-Württemberg hat in seinem Urteil VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.06.1981 - 3 S 271/81 entschieden, dass

"der Gemeinderat ...über das einer Gemeinde zustehende Vorkaufsrecht nach BauGB § 24 grundsätzlich in öffentlicher Sitzung zu verhandeln und zu beschliessen [hat]<ref>Fortsetzung der Rechtsprechung des Senats; vgl VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.06.1980 - III 503/79 VBlBW 80, 33)</ref>. Der Ausschluss der Öffentlichkeit in Sitzungen des Gemeinderates, in denen über ein unter anderem auch nach BauGB § 24 Abs 1 Nr 2 bestehendes Vorkaufsrecht zu verhandeln und zu beschliessen ist, ist kein Mittel, das geeignet ist, die Gefahr von Bodenspekulationen aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit auszuschließen. Die Offenlegung des Kaufpreises begründet kein berechtigtes Interesse der Vertragsbeteiligten an einer Verhandlung und Beschlußfassung des Gemeinderates über die Ausübung eines Vorkaufsrechtes in nicht öffentlicher Sitzung. Der erforderliche Beschluß des Gemeinderates über die Ausübung eines Vorkaufsrechtes ist Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den Bescheid des Bürgermeister, mit dem dieser den Ratsbeschluß vollzieht."<ref>VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.06.1981 - 3 S 271/81</ref>

Die Regelungen können nach Bundesländern unterschiedlich gefasst sen. Für Rheinland-Pfalz hat das OVG Rheinland-Pfalz in OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.11.1994 - 8 A 12462/93 für diNicht-Öffentlichkei entschieden, bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 15.03.1995 - 4 B 33.95: Bundesrecht stehe einer landesrechtlichen Regelung nicht entgegen, wonach Grundstücksangelegenheiten (hier: die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts) in nicht-öffentlicher Sitzung des Gemeinderats zu behandeln seien.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in BayVGH, Beschluss vom 24. Februar 2010 – 1 ZB 08.3231 = BauR 2010, 1734 bis dato nur allgemein zum Vorkaufsrecht Stellung genommen.<ref>Literatur zur Rechtslage in Bayern: Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 254 Fn. 40 mit Verweis auf Prandl / Zimmermann / Büchner / Pahlke (Hrsg.), Kommunalrecht in Bayern, Kommentar zur Gemeindeordnung - Verwaltungsgemeinschaftsordnung - Landkreisordnung und Bezirksordnung mit ergänzenden Vorschriften, Loseblattwerk mit Aktualisierungen. 2019, Carl Link, ISBN 978-3-556-02032-6, Erl. 10.52/9.4 Abs. 2 zu Art. 52 GO M.w.N.</ref>

Die Anonymität der Kaufvetragsparteien ist zu wahren (Datenminimierung).<ref>Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 254 Fn. 41</ref>

Verwaltungsanweisungen

Verwaltungsanweisungen sind nach einer Stellungnahme des Landratsamtes Lichtenfels vom 14.09.2015 in nichtöffentlicher Sitzung zu behandeln.

Wahlen im Gemeinderat

Der Gemeinderat wählt aus seiner Mitte für die Dauer seiner Wahlzeit nach GO Art. 35 Abs. 1 Satz 1 einen oder zwei weitere Bürgermeister. Diese Wahlen sind grundsätzlich in öffentlicher Sitzung abzuhalten<ref>vgl. Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 255 Fn. 65, 68</ref>. Gleiches gilt etwa für die Bestellung

  • der vom Träger einer Sparkasse nach SpkG Art. 8 zu berufenden Verwaltungsratsmitglieder und deren Ersatzmänner<ref>vgl. Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 255 Fn. 65, 74.</ref>,
  • von Vertretern in Zweckverbänden<ref>vgl. Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 255 Fn. 79</ref> oder
  • von Vertretern in Kommunalunternehmen<ref>vgl. Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 255 Fn. 80</ref>.

Wahlen im Gemeinderat werden in geheimer Abstimmung vorgenommen (GO Art. 51 Abs. 3 Satz 1).

Wirtschaftliches Unternehmen

Zuschauerandrang

Bei großem öffentlichen Interesse und Zuschauerandrang mit drohender Überfüllung des Sitzungssaals kann der Vorsitzende im Rahmen seiner Ordnungsgewalt den Sitzungsraum sperren<ref>BVerwG, Beschluss vom 20.07.1972 - IV CB 13.72 = DVBl. 1973, 369</ref>.

Bekanntgaben nach Art. 52 Abs. 3 BayGO

Die in nichtöffentlicher Sitzung gefaßten Beschlüsse sind nach GO Art. 52 Abs. 3 der Öffentlichkeit bekanntzugeben, sobald die Gründe für die Geheimhaltung weggefallen sind. Zum Umgang mit den Fallgruppen Immobiliengeschäfte, Bechaffungsgeschäfte, Personalangelegenheiten vgl. Stefan Papsthart, Glashaus mit Geheimnissen - Zur (Nicht-)Öffentlichkeit kommunaler Ratsarbeit, BayVBl. 2021, 253 ff., 258 (5.1.3.).

Verstöße können im Wege der Rechtsaufsicht (GO Art. 112) verfolgt werden.

Aus der Praxis der Stadt Burgkunstadt

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Normen

Grundgesetz (GG)

Bundesrecht

Gesetzliche Regelungen in den Bundesländern

Bayern

Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung - GO)
  • GO Art. 52 Öffentlichkeit: (1) Zeitpunkt und Ort der Sitzungen des Gemeinderats sind unter Angabe der Tagesordnung, spätestens am dritten Tag vor der Sitzung, ortsüblich bekanntzumachen.2Ausnahmen bedürfen der Genehmigung des Gemeinderats. (2) Die Sitzungen sind öffentlich, soweit nicht Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche einzelner entgegenstehen. Über den Ausschluß der Öffentlichkeit wird in nichtöffentlicher Sitzung beraten und entschieden. (3) Die in nichtöffentlicher Sitzung gefaßten Beschlüsse sind der Öffentlichkeit bekanntzugeben, sobald die Gründe für die Geheimhaltung weggefallen sind. (4) Die Sitzungen haben in einem der Allgemeinheit zugänglichen Raum stattzufinden.
  • GO Art. 112 Beanstandungsrecht
Landkreisordnung für den Freistaat Bayern (Landkreisordnung - LKrO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. August 1998
Bezirksordnung für den Freistaat Bayern (Bezirksordnung - BezO)
Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit (KommZG)
  • KommZG Art. 32 Abs. 4: Die Vorschriften der Gemeindeordnung über die Öffentlichkeit gelten entsprechend, soweit nicht nach Maßgabe von Art. 26 Abs. 1 Sätze 2 und 3 die Vorschriften für die Landkreise oder die Bezirke anzuwenden sind.
Verwaltungsgemeinschaftsordnung für den Freistaat Bayern (Verwaltungsgemeinschaftsordnung – VGemO)
  • VGemO Art. 10: Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten für die Verwaltungsgemeinschaft die Bestimmungen des Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit entsprechend.

Baden-Württemberg

  • § 35 Gemeindeordnung: (1) Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich. Nichtöffentlich darf nur verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen einzelner erfordern; über Gegenstände, bei denen diese Voraussetzungen vorliegen, muß nichtöffentlich verhandelt werden. Über Anträge aus der Mitte des Gemeinderats, einen Verhandlungsgegenstand entgegen der Tagesordnung in öffentlicher oder nichtöffentlicher Sitzung zu behandeln, wird in nichtöffentlicher Sitzung beraten und entschieden. In nichtöffentlicher Sitzung nach Satz 2 gefaßte Beschlüsse sind nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit oder, wenn dies ungeeignet ist, in der nächsten öffentlichen Sitzung im Wortlaut bekanntzugeben, soweit nicht das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen einzelner entgegenstehen. (2) Die Gemeinderäte sind zur Verschwiegenheit über alle in nichtöffentlicher Sitzung behandelten Angelegenheiten so lange verpflichtet, bis sie der Bürgermeister von der Schweigepflicht entbindet; dies gilt nicht für Beschlüsse, soweit sie nach Absatz 1 Satz 4 bekanntgegeben worden sind.

Verwaltungsvorschriften

Geschäftsordnung für den Stadtrat Burgkunstadt

Die Geschäftsordnung für den Stadtrat Burgkunstadt regelt in § 21 die nichtöffentlichen Sitzungen:

In nichtöffentlicher Sitzung werden nach § 21 Abs. 1 Satz 1 in der Regel behandelt:

1. Personalangelegenheiten in Einzelfällen,

2. Rechtsgeschäfte in Grundstücksangelegenheiten,

3. Angelegenheiten, die dem Sozial- oder Steuergeheimnis unterliegen.

Außerdem werden in nichtöffentlicher Sitzung behandelt:

1. Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises, deren nichtöffentliche Behandlung im Einzelfall von der Aufsichtsbehörde verfügt ist,

2. sonstige Angelegenheiten, deren Geheimhaltung durch Gesetz vorgeschrieben oder nach der Natur der Sache erforderlich ist.

Rechtsprechung

Bundesverfassungsgericht (BVerfG)

Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)

Bundesgerichtshof (BGH)

  • BGH, Urteil vom 23.04.2015 - III ZR 195/14: Anfechtung eines Umlegungsbeschlusses - und die Öffentlichkeit der Ratssitzungen: "Der Anordnungsbeschluss des Gemeinderats kann, auch wenn es sich um einen internen Vorgang ohne Verwaltungsaktqualität handelt, grundsätzlich nur dann Grundlage eines rechtmäßigen Umlegungsbeschlusses sein, wenn die allgemein für Gemeinderatsbeschlüsse geltenden (Verfahrens-) Regelungen der jeweils anwendbaren Gemeindeordnung eingehalten sind (vgl. Kirchberg in Redeker/Uechtritz, AHB-Verwaltungsverfahren, 2. Aufl., Teil 2 C Rn. 29; s. auch Senatsurteil vom 11. Mai 1967 – III ZR 141/66, NJW 1967, 1662 zu der, soweit ersichtlich allein strittigen, Frage der Befangenheit von Ratsmitgliedern, denen im Umlegungsgebiet gelegene Grundstücke gehören, s. dazu Kirchberg aaO mwN)." (Abs. 15)

Rechtsprechung in den Bundesländern

Baden-Württemberg

Bayern

Bayerischer Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH)
  • BayVerfGH, Entscheidung vom 18.02.2016 - 5-VII-14 = BayVBl. 2017, 153: "Entgegen dem Vorbringen der Antragsteller ist der Bebauungsplan insbesondere nicht deswegen ersichtlich verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil nicht alle Sitzungen des Marktgemeinderats, in denen der Bebauungsplan Gegenstand der Beratungen war, öffentlich durchgeführt wurden. Abgesehen davon, dass in der fachgerichtlichen Rechtsprechung umstritten ist, ob ein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz des Art. 52 Abs. 2 Satz 1 GO zwingend die Rechtswidrigkeit des in nichtöffentlicher Sitzung gefassten Beschlusses zur Folge hätte (vgl. BayVGH vom 20.4.2015 BayVBl 2015, 630 Rn. 13 m. w. N.), haben die Antragsteller nicht dargelegt, welche für das Bebauungsplanverfahren wesentlichen Beschlüsse der Markt im Einzelnen in nichtöffentlicher Sitzung gefasst haben soll, ohne dass berechtigte Gründe für einen Ausschluss der Öffentlichkeit vorgelegen hätten (vgl. Art. 52 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 GO)."<ref>Abs. 53</ref>
  • BayVerfGH, Beschluss vom 23.07.1984 - 15-VII-83 = BayVBl. 1984, 621/622 = NVwZ 1985, 823 - Der Grundsatz des freien Mandats gilt in seinem Kernbestand nach bayerischem Verfassungsrecht auch für Gemeinderatsmitglieder.<ref>zitiert nach Michael Pahlke, Die Verschwiegenheitspflicht der Gemeinderatsmitglieder im Spannungsverhältnis zum Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit, BayVBl. 2015, 289, 290</ref>
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH)
Verwaltungsgerichte (VG)
  • VG Ansbach, Beschluss vom 09.02.2021 - AN 4 E 21.00186: "Die Regelung [des GO Art. 52, Anm. d. Red.] ist Ausfluss des kommunalen Öffentlichkeitsgrundsatzes, dessen Funktion es ist, den Gemeinderat der allgemeinen Kontrolle der Öffentlichkeit zu unterziehen sowie den Bürgern Einblicke in die Tätigkeit ihrer Vertretungskörperschaft zu ermöglichen. Er soll hauptsächlich dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und der Transparenz des gemeindlichen Willensbildungsprozesses dienen."<ref>Abs. 49</ref>
  • VG Bayreuth, Beschluss vom 26.01.2015 - B 5 S 14.549: "Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers trägt auch die Tatsache, dass der Stadtrat der Antragsgegnerin über den Erlass des streitgegenständlichen Bescheids in nichtöffentlicher Sitzung vom 17. Juli 2014 beschlossen hat, nicht die Annahme der Nichtigkeit dieses Beschlusses wegen eines Verstoßes gegen Art. 52 Abs. 2 GO mit der Folge einer Unwirksamkeit des Bescheids vom 28. Juli 2014. Es mag zwar sein, dass der Bayer. Verwaltungsgerichtshof (U.v. 26.1.2009 - 2 N 08.124 - BayVBl 2009, 344 f.) nunmehr die Auffassung vertritt, dass die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes einen schwerwiegenden Verstoß gegen tragende Verfahrensprinzipien der Kommunalverfassung darstellt, der die Ungültigkeit des Satzungsbeschlusses zur Folge hat. Das erkennende Gericht ist jedoch der Auffassung, dass diese auf Beschlussfassungen im Rahmen des Normerlasses entwickelte Rechtsprechung nicht auf Gemeinderatsbeschlüsse zum Erlass eines Verwaltungsaktes zu übertragen ist (so: VG Bayreuth, B.v. 16.2.2009 - 2 E 08.1234 - juris RdNrn. 34 f.; a.A. Pahlke, BayVBl 2010, 357/361)."<ref>Abs. 35</ref>
  • VG Ansbach, Urteil vom 21.10.2014 - AN 1 K 14.00046: "Der fehlende Gemeinderatsbeschluss sei zwar am 15. Oktober 2013 nachgeholt worden, jedoch sei dieser ungültig, weil er zu Unrecht in nicht öffentlicher Sitzung gefasst worden sei. Es seien keine Gründe im Sinne von Art. 52 Abs. 2 Satz 1 GO erkennbar, die den Ausschluss der Öffentlichkeit rechtfertigen würden. Derartige Gründe seien bisher auch nicht vorgetragen worden. Nach der Rechtsprechung sei inzwischen anerkannt, dass der Grundsatz der Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen ein wesentliches Element in einem demokratischen Rechtsstaat sei und zu den tragenden Grundsätzen des Kommunalrechts gehöre (vgl. BayVGH, Urteil vom 26.1.2009, BayVBl. 2009 S. 344). Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz führe in jedem Fall zur Ungültigkeit dieses Beschlusses (Wachsmut, a.a.O., Erläuterung 5.1 zu Art. 52 GO)."<ref>Abs. 27</ref>
  • VG Ansbach, Urteil vom 16. März 2010 - 4 K 09.00667 - Kein subjektives Recht des einzelnen Gemeindebürgers auf Einhaltung des Öffentlichkeitsgrundsatzes nach Art. 52 Abs. 2 GO
  • VG Ansbach, Urteil vom 14.11.2002 - AN 4 K 01.01318 - Mitteilung über nichtöffentliches Abstimmungsverhalten im Gemeinderat - Rechtmäßigkeit eines Ordnungsgeldes
  • VG Bayreuth, Beschluss vom 16.02.2009 - B 2 E 08.1234 (Öffentlichkeit und Allgemeinverfügung)

Hessen

Nordrhein-Westfalen

Rheinland-Pfalz

  • OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.01.1990 - 7 B 83/89 = DÖV 1990, 622 - Zu den Rechten des Gemeindebürgers bei Verletzung des Grundsatzes der Sitzungsöffentlichkeit: "Der einzelne Bürger einer Gemeinde hat keinen Anspruch darauf, daß die Gemeinde die Ausführung eines unter Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit zustande gekommenen Ratsbeschlusses unterläßt, wenn der betreffende Bürger nicht zugleich geltend macht, durch den Inhalt dieses Beschlusses in seinen Rechten verletzt zu sein."<ref>Amtlicher Leitsatz</ref>
  • OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02.09.1986 - 7 A 7/86 - Ausschluß der Sitzungsöffentlichkeit

Saarland

Verwaltungsschreiben

Öffentlichkeit von Sitzungen kommunaler Gremien

Vergaben

Publikationen

Kommentare

  • Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern, Kommentar, 42. Erg.Lfg. Dezember 2008, Erl. zu Art. 52
  • Wachsmuth, in: Praxis der Kommunalverwaltung, Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern, Kommentar, Art. 52

Gutachten

Tätigkeitsberichte

Fachbücher

  • Becker, in: Kempen/Becker/Heckmann/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, 4. Aufl. 2008, 2. Teil
  • Busse/Keller, Taschenbuch für Gemeinde- und Stadträte in Bayern, Boorberg Verlag, 4. Aufl. 2014, ISBN 9783415052086, S. 41 ff., 239 f. (Vergabe)
  • Franz Dirnberger / Andrea Gehler / Emil Schneider / Roland Wölfel, Praxiswissen für Kommunalpolitiker - Erfolgreich handeln als Gemeinde-, Stadt-, Kreis- und Bezirksrat, Jehle Verlag, 4. Auflage 2014, ISBN 9783782505475 Pos. 4197 (Teil 3 Ziffer 1.3.1; Ziffer 1.5); Pos. 5242 (Teil 3. Ziffer 3.3.4);
  • Dr. Klaus Thomas Krebs, Der kommunale Öffentlichkeitsgrundsatz, Richard Boorberg Verlag, 2016, 1. Auflage, 318 S., ISBN 9783415056336
  • Klaus Lange, Kommunalrecht, Mohr Siebeck, 2. Aufl. 2019, ISBN 9783161569708, Kap. 7

Fachaufsätze

Fachvorträge

Regionalpresse

Augsburger Allgemeine

Landkreis Kronach

Wilhelmsthal
  • np-coburg.de vom 17.06.2016 - Gemeinderat korrigiert falschen Schulbeschluss: "In Wilhelmsthal kann eine Offene Ganztagsschule eingeführt werden. Die Bürgermeisterin räumt ein, dass es eine Reihe von Fehlern gegeben hat." ... "Der vor drei Wochen in nicht-öffentlicher Sitzung gefasste Beschluss zu dem Thema wurde zunächst einstimmig aufgehoben. Bürgermeisterin Susanne Grebner, SPD, gab im Zuge dessen bekannt, dass die Gemeinderäte Heinrich Förtsch und Petra Öhring, beide CSU, schon damals Bedenken gegen die Vorgehensweise angemeldet hätten. Sie bezeichnete es als Fehler, die Entscheidung hinter verschlossenen Türen getroffen zu haben."

Obermain

Tegernseer Tal

Rhein-Neckar

International

Österreich

Experten

Siehe auch

Fußnoten

<references />